Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

01.Februar 2015, 22:20

Gut leben

credit: istockphoto.com/kozyavka

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Ich habe es in diesem Blog gewiss schon oft thematisiert oder angedeutet, weil es eben auch eine der hauptsächlichen Herausforderungen beim Bloggen ist: Wir haben so viele Informationen über die Welt, dass es ein Leichtes ist, an ihr zu verzweifeln – und vor allem an uns, die wir diese Welt bestimmten.

Und als Blogger macht man ähnlich – oder noch mehr wie Journalisten dies: Man vervielfältigt eine Nachricht, nimmt sie auf, gibt ihr allenfalls etwas Farbe mit – aber meist vor allem Zustimmung oder Empörung oder Widerspruch – alles in Ordnung, alles Teil unserer medialen Welt, zu der heute jeder beitragen kann. Aber dabei geschieht etwas, das ich als durchaus problematisch empfinde: Ich beginne zu zweifeln an den Menschen.

Habe ich mir früher kaum Gedanken darüber gemacht, ob wir in unserem Kern eher das Gute oder das Böse tragen, so frage ich mich dies heute häufiger. Wobei ich dabei nicht nur das bewusst Bösartige fürchte, sondern eher die fehlende Bereitschaft, sich wecken zu lassen. Die Trägheit, die sich in der Sorglosigkeit räkelt, während die Welt in die Macht Weniger fällt, statt dass wir sie uns teilen, erhalten, schützen. Wir beuten aus, statt zu bewahren.

Und dann erinnere mich mich an früher Zeiten ohne Internet, an Freundschaften ohne Facebook, an Telefonate statt Tweets, an Spaziergänge statt Google Earth – und das Gefühl dabei, dass Achtsamkeit und Lebensfülle keine Fragen der Politik sind, sondern das Resultat meiner Lebenshaltung und -gestaltung.

Kommunikation und Begegnung müssen einfach weiterhin Gespräch und Zusammensein meinen, und dürfen sich nicht in Klicks und Netzwerken erschöpfen.

 

2 Gedanken zu „Gut leben

  1. ClaudiaBerlin

    Zu den letzten 2 Absätzen: Wie recht du hast! Wann war es je so einfach, punktuell „Gleichgesinnte“ für was auch immer zu finden? Es ist unsere Entscheidung, auf welchen Kanälen wir was für wen warum mit welchem Ziel kommunizieren – oder etwa nicht? Es wäre genauso möglich, den Schwerpunkt der Aktivitäten (oder wenigstens überhaupt einen Teil) auf die Initiierung und Inszenierung realen Zusammenseins zu legen! (Das ja tatsächlich vielfach stattfindet, sowohl privat als auch von Themengruppen veranstaltet).

    Ich muss mittlerweile eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus gehen – und oft genug mache ich das dann auch nicht. Ohne den Garten, der mich in der Saison „rettet“, neige ich dazu, Screen-Potato zu sein – und mich gar nicht schlecht dabei zu fühlen. Dabei wird zuviel Sitzen derzeit sogar als lebensgefährlich erkannt! 🙂
    Warum nutze ich das Web / eines meiner Blogs / die sozialen Netze also nicht dazu, z.B, jemanden zu finden, der mit mir Mitwochs Yoga macht? Oder verkünde einen Treffpunkt und eine Rund-Route, um mit anderen Bewegungsbedürftigen zu bestimmten Terminen Fahrrad zu fahren? Oder lade im Sommer Sonntags früh zur Yoga-Gruppe auf dem Platz mit großer Wiese vor meiner Haustür?

    Es ist nicht „das Internet“, das dazu zwingen würde, eigene „Aktivitäten“ auf Liken, konsumieren (und pöbeln..) zu verengen oder sonstige Formen passiven „Online-Seins“ zu pflegen, sondern die eigene Unzulänglichkeit, mit den vielfältigen Möglichkeiten sinnvoll und kunstruktiv umzugehen.

    Was nun deine ersten Absätze angeht: Ich muss da nicht zweifeln, ich meine, zu wissen: wir tragen „im Kern“ immer beides, das GUTE und das BÖSE. Man könnte auch stimmiger sagen: ALLES oder „das Ganze“. (Andere Religionen haben diesem Sosein durch Gottheiten Ausdruck verliehen, die sowohl helle als auch dunkle Aspekte haben – je nach Blickwinkel.)

    Z.B. sind Menschen zur Empathie fähig, vermutlich mehr als irgend ein anderes Wesen – aber auch dazu, sie abzustellen. Nun wird in einem konkreten sozialen Kontext ein ignorantes, gefühlloses Verhalten meist und zu Recht als „böse“ empfunden. Jedoch: ist nicht anzunehmen, dass es auch genau diese „Fähigkeit“ brauchte, um die Menschheit zur dominierenden Spezies auf heutigem Stand zu machen? (Diese Sensibelchen hätten es doch nicht gepackt..).
    Es geht mir bei diesen Bemerkungen nicht um Entschuldigungen für die Trägheit und Ignoranz all jener, denen es derzeit noch zu geht, um sich ernsthaften Besorgnissen zu widmen. Sondern um das Seelenheil in Sachen „Zweifel am Menschen“.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      E. B. White 1973:

      Es ist unverkennbar, dass die Menschheit ein heilloses Durcheinander auf diesem Planeten angerichtet hat. Doch als Gesamtheit tragen wir wahrscheinlich die Samenkörner des Guten in uns, die lange überwintern, um plötzlich auszutreiben, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Die Neugier der Menschen, ihre Hartnäckigkeit, ihr Erfindungsreichtum, ihre Genialität haben sie in grösste Schwierigkeiten gebracht. Wir können nur hoffen, dass es ihnen die gleichen Anlagen ermöglichen, sich daraus auch wieder zu befreien.

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