Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

14.März 2015, 0:10

Daniel peinlich

Stock photo © ImageegamI

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Es gibt ja die Nüchternen unter uns, die sich über so Vieles gar nicht mehr aufregen mögen. Denn sie gehen davon aus, dass wir genau das bekommen, was wir verdienen. Also haben wir die zu uns passenden Politiker, werden folgerichtig regiert, wie wir eben regiert werden, und wir haben die Unterhaltung, die wir verdienen, und damit das Privatfernsehen.

Unsere Eltern hätten in jungen Jahren bei manchen Sendern entgeistert auf die Mattscheibe geschaut und wären fassungslos gewesen, wie peinlich sich gewisse Leute präsentieren können. Sie hätten körperlich mit gelitten und sich gleichzeitig fassungslos gefragt, ob das nun das Indiz dafür sei, dass die Welt eindeutig untergehen würde?

Man suchte Niveau, verwechselte das zugegebenermassen manchmal mit dem Begriff Anstand und war damit bestenfalls langweilig; aber blossgestellt wurde höchstens die unfreiwillig offenbarte Biederkeit.

Heute sind wir viele Schritte weiter: Die Biederen sind heute offen peinlich. Man fragt sich, was ein Daniel Küblböck, dieses Exponat einer Galionsfigur des Privatfernsehens, eigentlich wirklich gut kann? Seine Leistung besteht denn auch nicht darin, dass er gut singt oder viele Kakerlaken schluckt (typrische Privat-TV-Kunstform), oder – jetzt neu – tanzt, sondern dass er es trotzdem öffentlich macht. Wir wundern uns mit Häme, dass er uns das zumutet, und schauen genau deshalb dennoch in Millionenschar hin, gerade so, als müsste er doch noch selber einsehen, wie peinlich er ist. Was natürlich und zum Glück nicht geschieht, denn es sollen ihm ja die Hosen runter gezogen werden. Küblböck stört es irgendwie nicht, er hat eine Art Auskommen als Dödel gefunden – und so richtig peinlich daran ist heute nur noch, dass das tatsächlich funktionieren kann, dass es dafür so viel Aufmerksamkeit gibt, dass damit Geld verdient werden kann.

Peinlich an Küblböck sind wir, ist die Gesellschaft, die sich einen Spass daraus macht, einen Hipe mit Glitzer und Glamour aus Biederkeit zu schmieden, mag sie nur wenigstens ein bisschen auch noch peinlich sein und sich projizieren lassen auf eine arme Sau, die das gerne mit sich machen lässt, denn darin ist sie ja wirklich gut, muss sie sich mit niemandem wirklich vergleichen lassen… Dass es dafür aber tatsächlich mittlerweile unzählige Protagonisten gibt, das wissen wir ja auch schon längst. Wir können das Küblböckfeeling mittlerweile zappend jederzeit inhalieren. Und am Ende gehen wir ins Bett und fühlen uns unterhalten?

Was ich da rede und vorhalte? Unterhaltung heisst Ablenkung, Entspannung. Fussball ist nichts anderes und auch am Schönsten, wenn es Theater gibt. Stimmt. Aber wenn die zuvor so kicken wie Küblböck tanzt, dann amüsiert das Keinen. DAS ist dann eben doch ein Unterschied. Denn beim Sport nimmst du Partei. Als Fan eines Musikers lässt du auf ihn auch nicht so schnell was kommen. Küblböck ist nicht so ein Künstler. Er wird beachtet, damit man sich lieber früher als später über ihn mokieren kann.

Dass er das positive Bild eines Menschen abgebe, der sich was traut und seinen Traum lebt, ist ein medialer Erklärungsversuch: Öffentlichkeit hat eine machtvolle Strahlkraft. Wer danach drängt, und dabei peinlich wird, ist selber schuld. Küblböck muss man nicht mal bedauern.

Wer aber in diese Öffentlichkeit gelockt oder gar gezerrt wird, leidet danach unter Umständen ein Leben lang. Das aber kümmert nicht nur die Produzenten nicht. Auch uns ist es scheissegal.

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2 Gedanken zu „Daniel peinlich

  1. ClaudiaBerlin

    Unter dem verlinkten Artikel kommentiert jemand wie folgt:

    „Dieser junge Mann hat es aus eigener Kraft heraus geschafft, ausgesorgt zu haben. Er kann die Dinge tun, die ihm Spaß machen. Er hat niemandem weh getan (außer ein paar Gurken, die eh schon sauer waren), er hat sich nicht auf Kosten anderer bereichert, er ist auf dem Teppich geblieben und nicht abgedreht, ihm scheint es auch sonst recht gut zu gehen….. Ist das Scheitern? Wer definiert hier eigentlich, was Scheitern ist?“

    Auch eine Sicht der Dinge, hm? 🙂

    Die Teilnehmer an DSDS, Dschungelcamp und ähnlicher Fremdschäm&Schadenfreude-Formate sind eigentlich nicht zu bedauern, denn sie wissen, was sie tun, bzw. können es in aller Regel wissen, indem sie sich die Sendungen vorher ansehen, an denen sie teilnehmen. Viel schlimmer finde ich die Scripted Reality-Formate am Nachmittag, die übelstes soziales Fehlverhalten vorführen und so tatsächlich extreme Negativ-Standards setzen.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Ich habe den Kommentar gelesen und sage auch: Ja, auch eine Sicht der Dinge. Ich mache mir auch weniger um den Herrn Küblböck Gedanken als um den Zirkus an sich.

      Zum Dschungelbäh nur so viel: Gerade Küblböck will uns ja weis machen, dass er keine Ahnung hatte, wo er da rein tappte. Was dann allerdings mehr als unglaubwürdig ist. Oder ernsthaft Sorge aufkommen lässt, dass sich der junge Mann irgendwann tatsächlich so verwurschten lässt, dass es ihm dann nicht mehr ganz so wohl ist.

      Und die Scripted Reality – Formate sind wirklich der extreme Negativ-Standard. Ich weiss nicht, mit welchem Menschenbild man solche Sendungen produzieren kann.

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