Ressort: Reloaded(Weitere Infos)

02.April 2021, 23:15

Begegnung mit einer alten Liebe

Ich bin wieder zuhause. Die Aussicht auf den Zwetschgenkuchen, den wir gestern gebacken haben, hat mich etwas früher aus meiner Jogging-Runde heim gezogen. Kleine Sünde, grosse Freude… Er ist soo herrlich saftig!!

Ich geniesse die behagliche Wärme der geheizten Wohnung, zufrieden mit meiner Welt. Und ich denke an das Paar, das mir beim Laufen immer wieder begegnet ist, auch heute wieder:

Eine alte, freundliche Frau, die ihren Mann in einem Rollstuhl spazieren schiebt, jeden Tag, bei jedem Wetter. Sie spricht ständig mit ihm, lebhaft und voller Liebe. Er aber redet nie, sagt keinen Ton, und sein Gesicht, das bis auf sein kantiges Kinn und einen harten, schmallippigen Mund hinter den dunklen Gläsern einer dicken Hornbrille versteckt ist, verrät keine Regung. Wahrscheinlich hat er eine Lähmung, denn er sitzt stets mit verkrampfter Haltung in seinem Rollstuhl, so, als hätte man seinen Körper zurecht biegen müssen, um ihn hinsetzen zu können.

Wie ich die beiden nach einem kurzen Gruss hinter mir zurücklasse, mit ausholenden Schritten weiter laufend, frage ich mich, ob mir dieser Mann nicht bittere Gedanken nachsenden mag? Auch wenn ich über meine Bestimmung für den morgigen Tag nichts weiss, so ist doch klar, dass unsere Lebenslinien unterschiedliche Krümmungen aufweisen.

Das einzige aber, was ich höre, ist die Stimme seiner Frau, die nicht müde wird, ihm weiter von allem Möglichen zu erzählen. Der Wind trägt mir ihre Stimme noch lange nach, als möchte er damit die Liebe dieser Frau ehren, die ihrem Mann jeden Atemhauch ihrer Kraft schenkt, Tag für Tag.


thinkabout.myblog.de vom 6.11.04 – heute redigiert

12.März 2021, 0:25

Hinaus, mir entgegen

Es liegt nicht an Corona, dass ich nicht Joggen gehe. Erst haben mir das Hunde überforderter Frauchen und Herrchen vor Jahren schon madig gemacht, und mittlerweile bin ich auch zu träge dafür geworden. Vielleicht juckt es mich ja wieder, wenn ich lange genug in früheren Texten stöbere und an ihnen rum bastle. Allerdings hat das ein Jahr Corona noch nicht geschafft…

Ich lasse mich nicht einsperren. Auch heute will ich joggen.
Ich freue mich, gleich mit meinen Gedanken allein zu sein.
Ich hoffe auf etwas Schwerelosigkeit in meinem Körper, auf die ganz bestimmten Minuten, die mir suggerieren, genau so endlos weiter laufen zu können.

Asthma hat mich in den letzten Tagen zweimal abbrechen lassen. Deprimiert hat mich das nicht. Die langen Wege der letzten Monate haben mich schon etwas gelehrt:

Für mich geht es nicht um Leistung. Fehlt mir die Luft, dann habe ich eben Zeit, inne zu halten.
Anhalten, rasten. Wer sagt, dass es immer vorwärts gehen muss? Ist der Schritt vorwärts immer ein Fortschritt?

Ich muss immer seltener wissen, wie weit ich laufe. Oder wie schnell.
Ich laufe mit mir.
Bin ich bei mir?
Tanzen meine Gedanken davon oder sammeln sie sich?
Die frische Luft kühlt meine Haut.
Gott legt mir die Freude auf den Weg vor meinen Füssen und in jeden Atemzug. Frei atmen können. Ich weiss, wie wunderbar das ist. Ich staune über die Quelle unserer Energie. Rund hunderttausendmal schlägt unser Herz jeden Tag, versorgt uns, ohne dass wir einen Gedanken dafür haben.

Ich bin dankbar für jedes Stück Bewusstsein, für jede Zeile, die ich schreibe, für jeden Schritt, den ich auf meiner Strasse mache.



thinkabout.myblog.de vom 6.11.04, heute redigiert

04.März 2021, 7:12

Arbeit macht froh??

Genau so wie Arbeit nicht frei macht, ist sie ganz bestimmt für viele Menschen auch kein Freudespender. Arbeit macht erst richtig froh, wenn man darin eine Berufung erkennt – oder wenn man ein Team erleben und als dessen Teil etwas mit gestalten darf zu einem ganzheitlichen Gelingen. Unsere Freude an und bei der Arbeit ist also davon abhängig, wie sehr wir gefördert werden, weil die Arbeit zu unseren Talenten passt und die Menschen, die uns dabei begegnen, uns etwas zutrauen. Oder wir haben das Wissen über unsere Arbeit, dass sie notwendig und daher sinnvoll ist. Deshalb finden wir einen positiven Bezug zu ihr.

(c) Thinkabout: Bäuerin im Ladakh

Wer arbeitet, um schlicht das Pensum abzuspulen, das er zum überleben braucht, nach dem Motto, ohne Knete kein Brot, kann es vielleicht nicht besser treffen, für den Moment. Was aber, wenn sie oder er sich damit zufrieden gibt, dass Arbeit einfach sein muss, egal ob sie Spass macht? Es gelingt nicht, acht Stunden des Werktages in einer stumpfen Ecke seines Bewusstseins zu vergraben, um dann nach Büroschluss oder Schichtende mit dem Leben anfangen zu können. Das funktioniert nicht:

„Wer an der Arbeit keine Freude findet, dem wird sie in der Freizeit keinesfalls geschenkt.“

Ernst R. Hauschka

Wir sollten uns immer selbst so wichtig sein, dass wir unsere Erwartungen von Arbeit und Freizeit nicht vollständig trennen. Denn wir tragen immer unser ganzes Ich bei uns, auf dem Weg ins Kino genau so wie frühmorgens auf dem Weg „in den Stollen“. Wir brauchen Nahrung für uns selbst, für unseren inneren Frieden, für die Balance unserer Schritte durch den GANZEN Tag. Wenn der Job also öde ist, ist das ein Problem. Und finde ich keinen anderen oder besseren, so muss der Tag eben mit diesem Job besser werden. Also versuche ich doch besser, auch bewusst zu arbeiten, etwas mit Hand und Fuss abzuliefern, damit ich für mich selbst eine positive Rückmeldung über mein Tun und Verhalten bekommen kann.
Mag mir die Anerkennung auch versagt bleiben, ich für mich weiss, wann ich zufrieden mit mir sein kann. Wie werde ich danach den Kinobesuch noch freudvoller geniessen!

Und übrigens: Der Chef, der meine Arbeit nicht wertschätzt, trägt den eigenen Frust mit in seine Tage. Dass ich das von ihm abbekomme, ist nur scheinbar nicht sein Problem. [Und jaaah, es kann auch die Chefin sein!!]


thinkabout.myblog.de vom 6.11.2004, heute in mehreren Teilen redigiert

01.März 2021, 0:10

Die Sache mit der Aufmerksamkeit

Den folgenden Text habe ich im November 2004 geschrieben. Bis das erste iPhone in Europa auf den Markt kam, sollte es noch drei Jahre dauern:

Wie viele Möglichkeiten elektronischer Unterhaltung und Kommunikation hat unser Erfindungsgeist uns in den letzten 50 Jahren beschert?
Die Werbung preist uns alle diese Erzeugnisse an, ob Handy, Computer, Internet etc. Alles für uns und unsere Kommunikation!

Und was machen wir daraus?
Wir stürzen uns darauf, schaffen uns hoch auflösende Displays und „multiphone“-Klingeltöne an und was weiss ich was noch alles – um uns damit in Belanglosigkeiten selbst zu ertränken.
Wir verbreiten bedeutungslose Hülsen, statt uns um Inhalte zu kümmern. Wichtig ist, dass wir die Dinger alle brauchen, dass wir sie besitzen, aber nicht, was wir damit anstellen. Und statt dass wir Zeit gewinnen würden damit, verbrauchen wir sie durch Ablenkung. Den Wert, den diese neuen Möglichkeiten haben, erfassen wir nicht. Wir verwechseln ihn, verdecken ihn, indem wir Statussymbole aus den Tools machen. Jeder will erreichbar sein und misst damit die eigene Bedeutung. Dabei gibt es nichts Armseligeres als einen Gesprächspartner, der eine Unterhaltung unterbricht, weil er nervös seinen ganzen Körper abtastet, um das Hosentelefon, das gerade nicht dort zu sein scheint wo es sein sollte, zum Schweigen zu bringen.
Verzeihung, wertes Vis-à-Vis… reicht das, um zu erkennen, dass wirklich bedeutend ist, wer NICHT erreichbar sein muss oder will?

Man könnte ja hoffen, dass – wenn wir erst mal etwas Übung haben – wir uns schon wieder einkriegen und die moderne Technologie sinnvoller anwenden, , so dass der allgemeine Fortschritt nicht vor allem den persönlichen Rückschritt offenbart…

Aber wie ist es denn aus uns im Umgang mit dem guten alten Fernseher geworden? Wer schaut denn von uns bewusst fern? Selektiv, mit Bedacht – und konzentriert? Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen ganz ohne Programmzeitung auskommen. Das Ding läuft ja eh und es darf gezappt werden, was das Zeug hält. Wie viel Zeit vernichten wir doch täglich mit dieser Kiste! Ich nehme mich da nicht aus, weiss Gott nicht!

Von Zeit zu Zeit macht es allerdings „Klick“, und ich begreife für einen Tag, welchem Bock ich da aufsitze.

Ein gutes Buch macht dann den Abend zu etwas Besonderem, und wenn ich am ncähsten Tag eine gute Dokumentation bewusst auswähle, sie mir anschaue und nachher den Kasten auch wieder ausschalte, ja, dann finde ich mich gut. Ich darf mir dann einbilden, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und Unterhaltung kontrollieren und tatsächlich gewinnbringend einsetzen zu können. Und dann, ja dann ist es tatsächlich toll, alle diese Möglichkeiten zu haben und sich wie in einem Gespräch von Menschen berühren zu lassen. Dann schaue ich ihre Berichte aufmerksam an und es ist fast, als begegnete ich den Menschen, von denen sie erzählen, selbst persönlich.

Aber eine Begegnung mit Freunden für einen Fernsehabend eintauschen? O nein! Nichts geht über eine reale Begegnung, in der Wärme, Herz, Seelentiefe ausgetauscht und immer wieder neu angeboten wird.


thinkabout.myblog.de vom 7.11.2004, heute redigiert

Unfassbar… ich darf gar nicht daran denken, dass diese Gedanken und Beobachtungen aus einer Zeit stammten, in welcher es noch nicht mal Smartphones gab. Heute haben viele Menschen Schwierigkeiten, fünf Minuten nichts zu tun. Es macht sie nervös, während sie die ständige innere Unruhe im eindimensionalen Multitasking mit ihrem Smartphone gar nicht mehr wahrnehmen. Wann hast Du das letzte Mal fünf Minuten nichts getan?

27.Februar 2021, 22:30

Eine Art Gelübde

Du erleichterst mir
den Zugang zu meiner Seele.
Würde ich Dir nicht glauben,
wenn du sagst, dass ich schön bin
und Schönes schreibe,
würde ich uns Beide beleidigen.

Stattdessen will ich Dich
und meinen Schöpfer ehren,
indem ich mich ehrlich bemühe,
meine Kreativität zu schulen,
und mit meinen Talenten zu arbeiten.
Ich will die alten Reflexe ablegen,
die mich alles verwerfen liessen.
Ich erahne meine Talente.
Ich werde keine Projekte mehr weglegen,
bevor ich damit nicht wirklich gescheitert bin –
vor mir, unabhängig von anderen.

Ich werde mich nicht länger scheuen,
mir selbst zu begegnen,
mag es auf einer einsamen Landstrasse sein…
oder in der stillen Schreibstube.


thinkabout.myblog.de am 14.11.04, Titel: Dein Blick für mich; heute redigiert

27.Februar 2021, 18:30

Mit Zeit und Herz

Ich geniesse es so,
bei Dir auch bei mir zu sein,
und die Zeit zu vergessen,
weil die Intensität der Langsamkeit
den Genuss des Augenblicks
noch intensiver macht:

Mit Dir erlebe ich alles
so tiefgründig langsam –
als wäre es gleichzeitig
das erste und letzte Mal.

Ich sehe Dich an
mit dem Gefühl,
im Leben Platz zu finden.
Und schon ist das,
was ich spüre,
ein Heimkommen
zu mir selbst.

(c) Thinkabout

thinkabout.myblog.de am 5.11.04 – heute redigiert

27.Februar 2021, 18:00

Ein Arbeitsumfeld wie eine Oase

Neben unserem Vertriebslager besteht seit Jahren eine kleine Autowerkstatt. Der Inhaber ist ein junger Italiener, ein Secondo, der in der Schweiz aufgewachsen ist und sich hier einen kleinen Traum erfüllt.

Der Mann ist auch der Traum jedes Nachbars: Zuvorkommend, freundlich, mit dem hilfsbereiten, aber nicht aufdringlich neugierigen Blick über den Zaun. Und seine Angestellten verbreiten gute Laune. Über dem geschäftigen Treiben ruht ein guter Geist, der auch in Hektik, Trubel oder bei plötzlichen Schwierigkeiten nicht so schnell verloren geht.

Ihre Arbeit verrät Kompetenz. Als Kunde fühlt man sich wohl, gut aufgehoben, weil die Mitarbeiter wirklich Mitarbeit leisten. Kein Hochglanz, keine Markenvertretung, keine Image-Kampagne ist dafür verantwortlich. Es sind die Menschen, die sich ergänzen und sich hier zusammen gefunden haben.

Das Geschäft scheint gut zu laufen. Ich gönne es meinem Nachbarn von ganzem Herzen. Er darf mir auch ruhig mal ein Auto auf den Parkplatz stellen. Gibt mir irgendwie das gute Gefühl, auch ein wenig Teil des Betriebes zu sein.

Seht her, DAS ist ein Mensch, der Gutes bewirkt. Nachhaltig, Tag für Tag, obwohl er darauf wahrscheinlich keinen Gedanken verschwendet. Er hat einfach seine Linie gefunden, nach der zu leben ihm Freude bereitet. Sein kleines Glück ist mehr als gross genug für ihn. Wüsste er, wie sehr er mich beeindruckt, wäre er erstaunt. Die selbstverständliche Bescheidenheit ist auch Teil seiner Zufriedenheit.


thinkabout.myblog.de am 4.11.04, heute redigiert

25.Februar 2021, 7:30

Erwartungen

Pflichtbewusstsein ist eine Tugend. Doch welche Pflichten sollen mir zur Tugend werden?

Die Welt ist voll von Menschen, die sich mit sehr viel Energie mit ihren Erwartungen an ihre Umgebung beschäftigen und in ihrem Umfeld Wohlverhalten entsprechend ihren eigenen Vorstellungen einfordern.

„Pflicht ist das, was man von anderen erwartet.“

Oscar Wilde

Pflichtbewusstes Verhalten ist meist tradiertes, anerzogenes Verhalten und dann auch ein Zwang, ein Gefängnis, aus dem der Mensch nicht heraus findet: Dann funktioniere ich ein Leben lang so, wie „man“ das von mir erwartet, egal wie unglücklich ich dabei bin.

Manchmal wäre es besser, ich verhielte mich mehr nach meinem inneren Gefühl und kümmerte mich weniger darum, was „man“ zu tun hätte. Persönlich kann ich sagen, dass die Brüche in meinem Leben oft Aufbrüche waren, wenn ich eine Erwartung bewusst nicht erfüllte. Das bedeutete eine Befreiung und keine Flucht, denn ich konnte ja der Erwartung von aussen nicht einfach mein eigenes Empfinden entgegensetzen. Daraus musste und sollte ja meine eigenen Erwartung werden, die mir dann auch wirklich positiver Ansporn sein konnte.

Hörst du den Satz: „Man tut so was nicht“, so ist Vorsicht geboten und die Frage liegt nahe: „Warum?“ Die Antwort, so ich dann eine bekam, sprach oft für sich selbst.
„Das macht man einfach nicht.“
Mit einem bereitwilligen „Warum?“ als Frage zu all meinem Tun herum zu laufen, kann sehr anstrengend sein. Ich sollte dabei vor allem darauf achten, dass ich diese Frage mehr mir selbst gönne und mein Verhalten damit hinterfrage, als damit meine Umgebung zu drangsalieren – sonst werde ich sehr schnell und mit Recht den eingangs dieses Textes beschriebenen Pflichtenbeschwörern zugeordnet.

Doch generell kommt die Frage: „Warum?“ in meinem Leben viel zu wenig vor. Nicht wahr,

Thinkabout?


Ursprung: thinkabout.myblog.de am 3.11.04 08:41, heute stark redigiert

24.Februar 2021, 18:50

Wachsen

Leben ist Wachsen. Lebenskraft strebt nach dem Licht. Während Bäume natürlich ihrer Bestimmung folgen, müssen wir es eher erst lernen… wir müssen, wir dürfen heimkommen…

„Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur.“

Max Frisch

Das Leben macht uns täglich Angebote. Wir können lernen und dabei wie Reisende auf neue Entdeckungen ausgerichtet sein. Je bewusster ich mir das mache, um so schneller komme ich immer auf die gleiche, faszinierende Erkenntnis:

Was ich finde, ist immer schon in mir.
Ich trage alles, was ich brauche, bei mir.
Ich bin nicht nur voll von Fragen,
ich kenne auch Antworten.

Ich möchte also viel besser auf mich hören lernen. Und bewege ich mich in der Natur, so zeigt sie mir fürsorglich, dass ich ein Teil von ihr bin, ein Teil der Schöpfung, so gewollt wie der mächtige Baum mit seinem festen Wurzelwerk in der Nähe meines Daheims.


thinkabout.myblog.de – am 2.11.04 08:56heute redigiert

15.Februar 2021, 17:35

Verletzte Seele

Wie Beton können die Mauern sein,
die uns stumm und traurig machen
und unseren Rücken biegen.
Wir müssen geduldig wie Steinmetze arbeiten,
um uns nach und nach zu befreien,
und wir sollten nicht daran verzweifeln,
dass wir scheinbar nur an der Oberfläche kratzen können.

Dass wir zu fragen und forschen beginnen,
dass wir leben und lieben können oder auch nur wollen,
das zeigt uns, dass in uns nichts ist,
das in seiner Traurigkeit nicht überwunden werden könnte.
Nichts muss stärker bleiben
als unsere Fähigkeit zur Liebe –
auch und zuerst unserem eigenen Wesen gegenüber.

Ich bin mir absolut sicher, dass in der Tiefe jedes Menschen die Fähigkeit zur Liebe als grosse Lebenskraft vorhanden ist, die jedes Unglück eines menschlichen Lebens zu überstehen vermag. Liebe wird immer möglich bleiben und nie eine Utopie werden.

Wir können uns von uns abwenden oder uns selbst zuwenden. Tun wir Letzteres, dann gilt:

Wer sühnt, der zürnt,
wer versöhnt, der liebt.
Und zwar im Umgang mit sich selbst noch
VOR jeder anderen Begegnung.

Dann kann die Pilgerreise beginnen:

Uns ist Schmerz zugefügt worden.
Wir haben gelitten,
wir leiden immer noch.
Erst wollten wir vergessen
und konnten es nicht.
Dann half die Zeit
und wir lernten zu verdrängen.
Dann schenkt uns die gleiche Zeit einen neuen Blick,
und damit neue Erwartungen für unser Leben.
Am Ende wollen wir leben mit all unseren Gefühlen,
mit der ganzen eigenen Fähigkeit zur Liebe.
Also kommen gewisse Fragen zurück.
Wir halten sie aus, bis sie wegfallen.
Weil wir neue, andere Erfahrungen wagen,
haben wir neue Wurzeln gebildet,
und irgendwann gelingt es uns,
die alten Narben stehen zu lassen.
Eine Fingerkuppe mag darüber streichen,
und plötzlich stellst du verwundert fest,
dass du noch eine raue Erhöhung spürst,
aber der Schmerz gewichen ist.

Wenn wir so Steine aus unserem Rucksack entfernen können,
wie wandern wir dann leichten Schrittes weiter!


[thinkabout.myblog.de vom 1.11.2004, redigiert]