16.November 2021, 18:30

Haus- und Besuchsverbot – und dann?

Je länger die Impfe uns thematisch im Griff behält, um so drastischer werden die Positionen. Und gerade Comedians finden es offensichtlich gar nicht mehr lustig. Und dann wird es tragisch.

Zum Tweet

Es gibt Euch und Uns, die Schlechten und die Guten, und jetzt ist mal Schluss mit Lustig – und…

Ich wähne mich im Krieg. Vielleicht deswegen die Rede vom Kollaborieren? Und jetzt werde ich ernst, denn solche Statements sind auch bei mir schon angekommen, in der eigenen Familie. Und wenn das bei Euch noch nicht so weit ist, dann rate ich Euch, alles dafür zu tun, dass das auch so bleibt. Denn: Die Pandemie wird vorbei gehen. Aber das, was wir hier miteinander veranstalten, das wird bleiben… Und das ist ein sehr hoher Preis. Seid Euch einfach bewusst: Wenn Ihr dann die Gnade habt, Eure Türen wieder aufzumachen und die Leute, die ihr zuvor ausgeschlossen habt, sogar wieder eintreten sollten, ist deswegen nicht die heile Welt zurück. Das Erlebte und Gefühlte bleibt. Diese Brüche werden nur schwer zu kitten sein.

11.November 2021, 8:00

Ein Herbst- und Wintermärchen in Einem

Wir haben Ferien gemacht. Zwei Wochen im Oberengadin, weit weg von jeder Corona-Regel, uns selbst genügend in der gemieteten Wohnung, gebucht für einen Zeitpunkt, der Nachsaison genannt wird. Bahnen: Stillgelegt für die Revision vor der hoffentlich brummenden Wintersaison. Restaurants und viele Läden: Geschlossen. Kein Eintritt, mit oder ohne Zertifikat. Der Volg in Sils hatte offen – und das reichte vollkommen.

Wir spekulierten auf den Indian Summer im Oberengadin, die Zeit, wenn die Lärchen goldgrün leuchten und der erste Schnee, das Gelb der Wälder und das Blau der Seen atemlos machen können. Und wir hatten nicht nur Glück. Wir hatten Schwein. So was von. Ich bin noch immer besoffen vor Freude, wenn ich die Bilder ansehe. Ihr Lieben, die Ihr diese Bilder seht: Genau so schön war es. Ohne Flugzeug, keine drei Stunden von Zürich entfernt.

Die erste Woche schenkte und strahlendes, stabiles Wetter, und das Timing war einfach perfekt. Die Ebene um Sils bietet unfassbare Ausblicke und Flanierwege am See zuhauf, und Wanderungen auf der Via Engadina oder ins Fextal sind reine Sinnesfreuden für Augen, Nase und Herz. Ich habe bestimmt noch nie so viele glückliche Menschen auf Wanderwegen gesehen, so viele offene, lachende Gesichter und staunende Blicke.

Und dann war es zwei Tage wolkenverhangen. Und es begann zu schneien. Die Wolken schütteten nicht etwa einfach etwas weissen Zucker aus, sondern mehr als einen halben Meter Schnee. Es war, als würden wir sanft in eine Zauberwelt gesetzt – und da sitzt Du dann und staunst und wirst ganz still.

Ich habe mich nicht zum Reporter machen wollen. Ich wollte einfach staunen, geniessen, Kindergeburtstag feiern. Aber das hier möchte ich noch teilen. Denn es gibt Fotos, die im goldenen Herbst und dann im Winterzauber gemacht wurden, an der praktisch gleichen Stelle. Hier einfach zum Geniessen!

Hotel Waldhaus, oberhalb von Sils:

Blick auf den Beach Club am Silvaplanersee:

Sils Maria:

Mit neuer Demut und Dankbarkeit und vollgetankt tauche ich wieder ein in unseren Irrsinn. So herrlich unwichtig und unnötig sind so viele unserer Aufregungen.

28.Oktober 2021, 22:55

Nebenwirkungen wegen fehlender Meldungen über Nebenwirkungen

Die Debatte rund um die Corona-Impfungen ist endlos. Immer wieder wird angeführt, dass die Häufigkeit von Nebenwirkungen bei der Impfung sehr gering sei und schwerere Komplikationen kaum vorkämen. Dazu gibt es dann Statistiken, die das im Nullkommanullnull… – Promillebereich verorten. Damit operieren nicht nur Medien, welche die Kampagne befeuern, sondern auch die Arzneimittelbehörde Swissmedic und das BAG selbst. Um so störender, dass das dazu verfügbare Datenmaterial im Grunde unbrauchbar ist, wie das etablierte Konsumentenschutz-Portal saldo.ch in diesem Bezahl-Artikel festgestellt hat. Gerne gebe ich die wichtigsten Eckdaten des Artikels hier wieder.

Der Bundesrat hat die Zertifikatspflicht massiv ausgeweitet, und Covid-Tests sind wieder kostenpflichtig. Mit einer 100 Mio CHF teuren nationalen Impfwoche vom 8. bis zum 14. November soll die Impfrate nochmals gesteigert werden. Gut und vertrauensbildend klingt, dass der Bundesrat die Kantonsbehörden anweist, es möglich zu machen, dass sich Ungeimpfte persönlich beraten lassen können, um ihnen Ängste vor Nebenwirkungen der Corona-Impfung zu nehmen. Dazu gibt es dann eben beeindruckende Statistiken von Swissmedic, welche Fälle schwerer Nebenwirkungen als praktisch inexistent erscheinen lassen.

Doch es gibt keine Instruktionen, wie und wo Impfnebenwirkungen von den Hausärzten oder Spitälern gemeldet werden können, und schon gar nicht wird zu Impfrapporten angehalten. Swissmedic nimmt Meldungen entgegen, erfasst die Nebenwirkungen aber nicht systematisch. Swissmedic hält rasche Nebenwirkungsmeldungen für unerlässlich, fordert aber keine Berichte an. Es gibt auch keine einheitlichen Kriterien für die Meldung oder gar so was wie eine Meldepflicht. Hausärzte erklären denn auch freimütig, dass Nebenwirkungen in der Regel nicht gemeldet würden, selbst wenn sie über die bekannten Symptome wie Schüttelforst oder Fieber hinausgingen. Sie beklagen fehlende Instruktion und fehlende Zeit.

Dabei will die Regelung im Heilmittelgesetz klar etwas anderes: Ärzte müssen verdächtige Fälle rapportieren, die auf schwere oder bisher nicht bekannte unerwünschte Wirkungen der Impfung hindeuten. Doch Swissmedic prüft die Einhaltung des Gesetzes nicht.

Es könnte auch an Personal fehlen… Die Abteilung für Arzneimittelsicherheit bei Swissmedic beschäftigt 26 Personen – genau gleich viele wie vor der Pandemie.

Wie eine Untersuchung von Info­sperber.ch (Link sehr lesenswert!)  aufzeigt, wäre die Zahl bekannter schwerer Fälle wohl um ein Vielfaches höher, würden von Ärzten Berichte zu Nebenwirkungen systematisch eingefordert werden: Genaues und sehr genaues Hinschauen kann einen Unterschied mit Faktor 200 ausmachen!

Die Tatsache, dass es sehr wohl einige Länder gibt, welche aussagekräftige Informationen zu Nebenwirkungen schneller und systematischer sammeln als die Schweiz, ist der Grund dafür, dass Finnland und Schweden Anfang Oktober Moderna-Impfungen für Männer unter 30 wegen gehäuften Entzündungen am Herzen gestoppt haben. Swissmedic will dazu noch im November einen Bericht vorlegen. Nur… mit welcher Verlässlichkeit eigener Daten?


Persönliche Bemerkung zu daraus folgenden Nebenwirkungen in der Debatte: Es ist dieser Umgang mit Basisdaten, der viele Bürger ärgert. Und leider ist es nicht nur die Auswahl der Daten und deren Interpretation, die stutzig macht, sondern auch die mangelnde Systematik, die der Erhebung oft zugrunde liegt. Und Aussagen über die Unbedenklichkeit der Impfungen werden dadurch äusserst zweifelhaft. Sie führen im besten Fall dazu, dass sich beide Meinungsgruppen zementieren. Für die einen ist die Evidenz der Unbedenklichkeit so oder so gegeben, für die andern so erst recht nicht. Und wenn Swissmedic und BAG mit statistischen Zahlen operieren, muss die Frage erlaubt sein, wie diese Zahlen erhoben werden. Das Resultat solcher Nachforschungen ist irritierend bis beschämend. Vertrauen, für welche Impfkampagne auch immer, wird so nicht geschaffen.

12.Oktober 2021, 1:30

Wir verlieren uns

Der Bundesrat und der Mainstream der Politik kämpft um eine Verbesserung der Impfquote. Und ich bin überzeugt, jeder zusätzliche Pieks wird als Erfolg gefeiert.
Es gibt für ganz viele Menschen und Unternehmen ganz viele gute Gründe für die Impfung. Und ein jeder Mensch soll das für sich entscheiden können. Doch so weit sind wir schon lange nicht mehr, nicht wahr?

Wir müssen gar nicht mehr darüber diskutieren, ob es einen Impfzwang gibt oder nicht. Entscheidend für den bröckelnden Zusammenhalt der Gesellschaft ist, dass dieser Zwang subjektiv als solcher empfunden wird. Was wir also als Erfolg verbuchen, bei den Prozenten, die wir jetzt noch zulegen in der Impfstatistik, ist nicht wirklich einer. Wir handeln uns mit dieser ganzen Übung einen viel zu hohen Anteil von Bürgern ein, die sich mehr als nur ein bisschen gegängelt fühlen. Sie gehen verloren. Und das Problem sind nicht jene, die laut protestieren – sondern die stillen, die sich scheinbar schicken. Aber die Erfahrung, plötzlich am Rand gestanden und auch so beurteilt worden zu sein, die bleibt. So manche, die sich jetzt umstimmen lassen, behalten bei sich ein stilles Kopfschütteln – mit der Feststellung, dass man selbst nie für möglich gehalten hätte, dass das geschieht: Meine eigene Gruppe hat kein Problem, über meine körperliche Integrität zu befinden. Menschen, die sich immer als Teil einer Gemeinschaft verstanden haben, sehen sich plötzlich an den Rand gedrängt und zu einem Schritt genötigt, den sie eigentlich nicht gehen möchten. Wenn sie ihn dann doch gehen, bedeutet das nicht, dass sie „verstanden haben“. Oft bleibt etwas zurück. Es entsteht eine Distanz, eine Entfremdung. Das erfahrene Unbehagen sitzt tiefer als der Pieks selbst je eindringen mag.

Und immer wieder die Frage, wie selbstverständlich sich alle über die nicht wirklich beantwortbaren Fragen hinweg setzen können – aber auch das gelingt, natürlich, in der Gruppe ganz leicht. Es gelingt uns immer ganz leicht, wenn wir uns auf der richtigen Seite wähnen, wie auch immer wir uns das zu garantieren glauben. Die Bestätigung ist ja da. Auf Schritt und Tritt.

Wir werden das Virus meistern. Mit ihm leben lernen. Irgendwann. Und ganz schnell werden ganz Viele von uns weiter leben wie zuvor. Denn das ist das, was alle wollen. Aber für ganz Viele von uns wird es nicht mehr das Gleiche sein wie zuvor. Die Solidarität, so wie sie jetzt eingefordert wird, ist für sie nicht wirklich eine. Sie sind nicht gehört und nicht verstanden worden. Es gab eigentlich noch nicht mal den Versuch dazu. Auf jeden Fall viel zu selten.

Die Lebensqualität einer demokratischen Gesellschaft misst sich daran, wie die Mehrheit mit der Minderheit umgeht. So gesehen sind wir gerade dabei, die grösste uns bisher auferlegte Prüfung maximal zu versauen. Die Regierung ist die Exekutive. Wie passend ist diese Bezeichnung!

06.Oktober 2021, 2:30

Angst zulassen, überwinden, Ruhe finden

Es sind nervöse Zeiten. Doch es ist mir gelungen, mich zurück zu nehmen. Ich habe verstanden, dass die Unruhe nur Raum bekommt, wenn ich mich ihr ausgeliefert fühle. Statt die Welt zu verändern, versuche ich nun, bei mir selbst zu bleiben. Ich begreife die Unruhe, die an mich heran getragen wird, als Chance. Und ich verstehe sie auch besser, denn sie hat einen Treiber, der quält: Eine diffuse Angst treibt die Menschen um, nicht an. So viele Menschen hatten Angst vor Terroranschlägen. Nun haben sie Angst vor Corona. Menschen scheinen Sicherheit zu wollen, nicht Freiheit.

Wir wollen uns sicher fühlen, die Gefahr weg haben. Wir fahren täglich Auto, ohne Angst vor einem Unfall zu haben. Und manchmal wird uns bewusst, wie wunderbar unsere Mobilität ist. Wenn wir sie geniessen, ist das eine bewusste Wertschätzung unserer Freiheit. Wenn uns nun jemand sagt, dass wir jedes Mal, wenn wir uns in den Verkehr begeben, wir unser Leben riskieren, so zucken wir mit den Schultern. Die Gefahr ist es wert, die eigene Erfahrung ist gut. Für die meisten von uns. Ich bin sicher, Viele von Euch kennen jemanden, der das Motorradfahren nach einem schweren, aber gut ausgegangenen Sturz aufgegeben hat. Oder das Rauchen, weil der Husten doch nicht sein muss, oder der Geruch in den Kleidern. Was weiss ich. Die Argumente sind immer persönlich – und dürfen es bei diesen Themen noch sein.

Ich lebe in einer behüteten Welt, der besten, die je eine Generation auf unserem Kontinent erlebt hat, aber es ist, als wäre unser Glück für uns zuviel. Die Sicherheit, die wir suchen, nimmt uns einen Teil dieses Glücks. Sie soll das Glück festhalten, aber Glück lässt sich nicht garantieren. Je unfreier wir werden, um so schwerer ist es für das Glück, uns zu beschenken. Und Angst macht Glück unmöglich.

Wenn wir krank werden, sind wir mit der Flüchtigkeit des Glücks konfrontiert und müssen uns mit Bedrohung auseinandersetzen, oder zumindest mit Mühsal und Schmerzen. Doch sehr oft gelingt es, gerade dann Gelassenheit zu lernen und ein Gespür dafür zu bekommen, dass alles bewältigt werden kann, wenn sich unsere eigene innere Ruhe finden lässt. Ich glaube, dass wir sie alle in uns tragen und sie einen grossen Schatz darstellt – den grössten, den wir überhaupt haben. Diese Ruhe erzählt davon, dass ein jeder Weg, den wir gehen müssen, Schicksal ist – doch ich brauche dafür lieber das Wort Geschick. Mein Fährtenlenker schickt mich auf einen Weg, der mir bestimmt ist, von dem er aber auch weiss, dass ich ihn gehen kann. Erkennen ist dabei jeden Tag möglich. Lernen. Begreifen. Demut. Freude an Geschenktem. Das scheinbar Selbstverständliche wird Besonders, das Unverständliche kann stehen bleiben. Es wird sich alles zeigen, was ich brauche, was ich kann. Und was ich muss, werde ich schaffen, ohne dass ich sicher sein kann, dass ich dabei nicht auch ganz viel Angst werde überwinden müssen. Für mich. Ganz persönlich. Helfen werden mir Menschen, die ich begleiten durfte, die mir entsprechende Haltung vorgelebt haben, mit dem besonderen Lächeln, das Wahrhaftigkeit in seinen Zügen trägt. Und Menschen, welche mir diese Begleitung schenken. Wir Menschen können ganz bewusst Ja sagen zu unserem Dasein – und auch zu seiner Gefährdung.

Mein Leben ist gewollt, mein Sterben wird es auch sein. Und Beides ist gut so, wie es ist und sein wird.

Dass wir Menschen heute ohne Jenseitsvorstellung leben, mag manchen als persönliche Befreiung von religiösem Firlefanz gelten – der Umgang mit dem eigenen Ende bleibt eine Aufgabe, die deswegen nicht kleiner und weniger lohnend geworden ist.

Und wenn wir um das Ende von Corona ringen oder das, was wir dafür halten, und wenn wir darum streiten, wer was wie mitmachen soll und muss, sind alle diese persönlichen Fragen auch mit dabei – doch bitte irgendwann. Nicht jetzt. Noch lange nicht. Dabei machen sie, wenn wir sie zulassen, jeden Tag lebendiger und den Umgang mit uns Allen verständnisvoller.

25.September 2021, 7:11

Wider die Angst

Wenn die Angst uns packt,
das Herz uns in die Hose sackt,
das Denken kreist und schreit,
nur die Flucht uns noch befreit.

Wer uns nun Schutz verheisst,
den Weg ans Licht uns weist,
kann alles von uns kriegen,
mag er nur die Furcht besiegen.

Was uns Angst macht ist die Kunde
möglicher Not in eigner Runde.
Wir leben sicher und auch satt,
im Paradies, das kein Ende hat.

Wird uns Sicherheit genommen,
taumeln wir sofort benommen,
durch den Aufruhr der Gefühle,
im Kopf ein einziges Gewühle.

Die Angst, die uns so sehr bestimmt
uns Allen unsren Frieden nimmt.
Sie überwinden kann gelingen,
wenn wir um Balance ringen.

Nicht nur andre überzeugen,
uns auch in Demut selber beugen,
die Angst als Lehrerin begreifen,
um sie persönlich abzustreifen.

Der Weg ins Licht ist eigen,
persönlich gehbar in dem Reigen
eigener Gelassenheit im Fragen
und von Demut still getragen.

Fragen bleiben, Unbehagen auch,
ein nervöses Flirren tief im Bauch.
Wir reden einander ins Gewissen,
doch niemand hat das letzte Wissen.

Das Ziel bleibt doch am Ende,
dass alles sich zum Guten wende,
wenn wir Unsicherheit aushalten,
und unsren Frieden uns erhalten.

Wir werden alles überstehen,
Licht am Tunnelende sehen.
Versuchen wir, uns zu verstehen.
Lernen wir, uns neu zu sehen.






21.September 2021, 0:20

Die Sache mit dem „Ja, aber…“

iStock_MHJ

Es ist nicht einfach, einander zuzuhören. Eine Meinung stehen zu lassen. Irrglaube und Irrmeinung muss doch korrigiert werden! Sofort! In der (auch privaten) Debatte über politische Inhalte ist der Widerspruch, der Diskurs ja auch eine Art Programm. Dennoch reden wir so oft an einander vorbei, nicht wahr? Und da ist auch diese feine Art der verweigerten Einlassung, wenn uns unter lieben Menschen ein Gefühl angezeigt wird, das, wie wir finden, nicht sein kann oder darf. Verzagen ist nicht, Aufgeben eh nicht, und also wischen wir weg, was nicht sein soll. Und dabei gelingt es uns sogar, uns gut dabei zu fühlen, weil wir ja vorsagen, was stattdessen zu sehen und zu tun ist.

Das mit dem Zuhören ist in unserer Gesellschaft so eine Sache. Mag sein, dass das nie einfach war und schon immer eine Kunst, aber in Zeiten von Social Media scheint es echt verloren zu gehen. Und die Kakophonie der Meinungen auf allen Kanälen verführt erst recht dazu, sich die Schlagworte rauszusuchen, die einem richtig erscheinen, und dann mit dem gleichen #Hashtag hinterher zu reden. Nein. Zu schreien. Sich empört zu geben. Wohin wir uns als Gruppe begegnen, ist immer seltener eine Frage der Argumente als der Lautstärke – und dass wir dabei sein wollen in der Gruppe ist klar, denn sie verspricht in der Zustimmung Halt und Stärke. Eine andere Meinung wird aufgedeckt, erkannt, ist blitzschnell zu verorten: Das ist „Eine von Denen“, oder „noch so ein Spinner“ oder „ein Verblendeter“. Bis zur „Verlorenen“ ist es dann nicht mehr weit.

Zugehört hat man dabei kaum je, mitgefühlt erst recht nicht. Stattdessen wird eine Vernunft aufgerufen, die ihrerseits auf Abwägungen basiert. Die Mehrheit hat es immer leicht, sich „recht“ zu fühlen und agiert darin sehr oft ungerecht, ohne dass es sie zu scheren bräuchte, denn die andern haben selber Schuld, sind schuld.

Fronten bewegen sich nicht aufeinander zu, es sei denn, um zu schlagen. Im besten Fall verharren sie. Am Grund des Übels gab es und gibt es keinen Meinungsaustausch. Alles wird sofort verortet. Schublade auf und Schublade zu. Vielleicht hat man mal Argumente und passende Fakten oder vorläufige Erkenntnisse aufgereiht und angeführt, und im besten Fall beginnt unsere Antwort als Reflex mit:

Ja, aber…

Dabei gibt es keine mächtigere Pause als jene vor einer Antwort, wenn man denn eine Chance zu einem Gespräch bekommt und wahrnehmen kann. Man darf einfach keine Angst vor dieser Pause haben. Sie hat ja durchaus das Potenzial, dass Gesagtes Nachwirken kann – aber auch, dass die eigene Antwort ruhiger und gerundeter daherkommt. Und was ist denn das Ziel? Die unmittelbare Bekehrung? Der Sieg in einer Diskussion, welche beide Seiten wahrscheinlich nicht zum ersten Mal führen? Ein wirklicher Austausch von Meinungen ist eine Chance, die andere und die eigene Position besser zu verstehen. Das Gegenüber hilft mir, zu verstehen und zu lernen – und auch bei Unverständnis wächst zumindest die eigene Informationsfülle. Wenn ich kein Gefühl für die Menschen mit anderer Meinung bekomme, kann ich nicht erwarten, dass sie umgekehrt mir zuhören, weil ich einfach schlicht so brillant bin.

Mit dem Ja, aber schnappe ich ein, hake ich ein, gehe ich sogleich in den Widerstreit. Das mag ja ein rhetorisches Gefecht geben, aber mit rauchenden Colts wird hier niemand aus dem Feld geschlagen. Wir leben miteinander. So ist es gedacht, und so müssen wir es versuchen, wenn wir Frieden erhalten oder schaffen wollen.

Wenn eine oder einer unserer Lieben erkennen lässt, dass er den Mut verliert, ihn eine Lebenssituation überfordert, wenn ein junger Mensch trübsinnig oder ein alter Mensch lebensmüde wird, sich entsprechend äussert, und wir antworten mit

Ja, aber

haben wir das Ja tatsächlich schon übersprungen. Wir zeigen, dass wir es nicht fühlen. Und tatsächlich werden alte Menschen inmitten ihrer Familie oft noch einsamer, wenn ihnen ihre Herausforderung nicht zugestanden werden kann – und nur eine positive Reaktion auf die Trübsal erwartet wird. Wir schwingen uns auf in eine Position, die ein Stück weit eine Anmassung ist, und was wir gut zu meinen glauben, hat mehr damit zu tun, dass wir das Thema, das den lieben Menschen am meisten beschäftigt, im Grunde scheuen. Doch da ist ganz viel Chance drin für uns alle. Denn wie geschrieben: Es sind liebe Menschen, um die es geht und denen wir auch lieb sind. Also, einfach mal

Ja

sagen und lauschen, wie es klingt, mit aller Hilflosigkeit, die dazu gehören kann. Und aus dem gezeigten Verstehen wird womöglich ein Weg, der zusammen gegangen werden kann, ein Vorleben und Mitnehmen, welches die Tage allen nochmals heller macht.

Tatsächlich ist im Umgang mit nahen und fremden Menschen Empathie eine Kunst, die es erlaubt, mit der Meinung und Empfindung der andern auch den Menschen selbst stehen lassen zu können. Abwenden kann ich mich immer noch. Aber dann weiss ich, dass damit rein gar nichts gewonnen ist.

27.August 2021, 2:30

Liebe Geimpfte

Ich bin in diesem Text bewusst und noch mehr als sonst persönlich. Dies einfach deshalb, weil ich feststelle, dass eine objektive Diskussion der Pandemie zur Zeit kaum mehr möglich ist. Und weil ich immer wieder erfahre, dass wir urteilen, ohne Hintergründe zu kennen. Und auch dabei meine ich persönliche. Umstände und- eben – auch Gedanken.

Der Graben in unserer Gesellschaft hat sich aufgetan. Haben wir über die Einschätzungen zu Corona noch so was wie diskutiert, so ist das bei der Kontroverse um die Impfung scheinbar nicht mehr möglich. Der besagte Graben zwischen Geimpften und Ungeimpften verläuft teilweise mitten durch Familien, Freundschaften, Vereine. Und es scheint nurmehr zwei Kategorien zu geben: Die Geimpften sind die Solidarischen – die Ungeimpften die Schmarotzer.

Die Frage des richtigen Verhaltens zum Wohl der Gesellschaft hat sich auf zwei Pieks reduziert. Dabei müssten wir uns doch alle, mit oder ohne Pieks, nach wie vor fragen lassen, wie wir es denn halten in unserem Alltag mit den Anpassungen an die scheinbar so evident bedrohliche Lage?

Wie Viele von uns sind gepiekst aufgebrochen in die Ferien, in den Süden, den Osten, haben Verwandte besucht oder Freunde, haben Dolce Vita genossen, endlich ein wenig Normalität, haben gefeiert und uns gefreut über die laschen Kontrollen oder gar keine, sind mit dem Auto mehrmals über die Grenzen gefahren, ohne je den ominösen Fackel vorzeigen zu müssen. Alles nicht so schlimm oder praktisch überstanden – und jetzt?

Die Empörung über die Ungeimpften ist gross, und diese sehen sich verallgemeinert als Querschläger und Querulanten, Schwurbler und ewig gestrige Globuliphantasten gebrandmarkt. Angesichts der Tatsache, dass das Virus von Allen mit oder ohne Pieks weiter gegeben werden kann, fragt niemand danach, wer denn wie viele Sozialkontakte hat und sich, ungeimpft, womöglich aus freien Stücken schon ein gutes Stück weit defensiver in der Anzahl seiner Begegnungen verhält als seine Mitmenschen. Bin ich, ungeimpft, mit durchschnittlich vielleicht fünf bis zehn Sozialkontakten pro Woche und einem Restaurantbesuch alle vierzehn Tage das grössere Risiko für eine Ansteckung als jemand Geimpfter mit hunderten davon (in entsprechenden Berufen oder dem häufigen Aufenthalt in geschlossenen Räumen) und einem Clubbesuch pro Monat?

Ich kann mit den Einschränkungen für den Besuch von Massenveranstaltungen leben. Womit ich nicht (gut) leben kann, ist mit der Tatsache, dass der Eingriff in meine körperliche Integrität staatlich verordnet werden soll – für einen Vorgang, über dessen Risiken für mögliche Langzeitfolgen niemand wirklich schon Bescheid wissen kann. Die Gesellschaft trifft mit Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung und ihrem vorläufigen Erkenntnisstand einfach eine Risikoabwägung – die nicht meine eigene sein muss. Ich erwarte Euren Respekt für das Risiko, das ich selber zu tragen bereit bin. Dass sich die meisten von Euch haben impfen lassen, um sich vor der Krankheit zu schützen, kann ich verstehen. Auch verstehe ich, dass viele sich impfen lassen, weil sie beruflich viel reisen müssen und es ansonsten furchtbar mühsam ist. Gleichzeitig ist mir unwohl, dass die Abwägung, ob man die Impfung will oder nicht, für manche von uns mit sehr viel mehr im Alltag entstehendem Druck verbunden ist als für andere. Denn, nochmals, es ist eine höchst persönliche Entscheidung.

Nun bin ich also für Euch noch immer ein Risiko. Ich kann Euch trotzdem mit Covid anstecken, auch wenn Ihr weniger schwer krank werdet, und ich kann von Euch angesteckt werden und die Ansteckung weiter geben. Vor allem aber bin ich bin ein Kostenfaktor und ein möglicher Spitalengpassverursacher zu Lasten moralisch integrerer Patienten. Denn wenn ich, trotz sehr selektiver Kontakte mit Corona angesteckt werde, früher oder später, egal in welcher Welle, kann es sein, dass ich ein Spitalbett belege. Die Chance, dass ich die Krankheit überstehe, ohne auch nur in die Nähe eines Spitals zu müssen, ist zwar viel höher, aber tatsächlich kann ich es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschliessen. Dass ich in keinem Fall intubiert werden will und daher wegen Covid kaum je ein Intensivbett belegen würde, beeinflusst hier nur meine persönliche Ratlosigkeit angesichts der bedingungslosen Bereitschaft, für ein Überleben egal welcher Qualität einfach alles vorgekehrt bekommen zu wollen. Aber diese meine Haltung müsst Ihr mir ja nicht glauben, denn ich muss sie gerade glücklicherweise ja nicht beweisen.

Entgegen anderer Berichte, die ich in diesen Wochen vermehrt lesen kann, glaube ich nicht daran, dass ich als Patient auf Ressentiments der Pflegenden stossen würde. Pflegefachkräfte, die ihren Beruf mit dem Gedanken ausüben, dass der Mensch, der vor ihnen liegt, im Grunde selbst schuld an seiner Lage ist, haben den inneren Spirit ihrer Berufung eingebüsst und müssen den Beruf schnellstens wechseln – und niemand von uns muss Angst vor einer solchen Haltung haben – ganz egal, welche Art von Risiko wir selbst zu verantworten haben, wenn wir sterbenskrank werden. Würden wir diese Grenze wirklich überschreiten und diese Art von Bewertungen vornehmen, so haben wir als humanitäre Wesen wie als Gesellschaft endgültig die Empathie verloren. Was es bedeuten würde, diese Folgen zu tragen, sollte niemand von uns unterschätzen. Die Raucher unter uns, zum Beispiel, können erahnen, welche Dynamik das annehmen kann, denn sie haben in den letzten Jahrzehnten erlebt, wie der Wind drehen kann. Und auch dieser Wind könnte bis ins Spital weiter getragen werden…

Natürlich habe ich Wünsche, aber sie sind in der Weise wohl zu fromm, wie Fromm heute noch verstanden werden kann – nämlich unrealistisch:

Ich wünschte tatsächlich, dass die Pflegeberufe ernster genommen würden – mit verbesserten Löhnen, Arbeitszeitregelungen und explizit im Bereich der Auslastung der IPS (Intensivpflegestationen) mit Ausbildungsprogrammen, welche die Erkenntnisse der ersten Welle der Pandemie zum Anlass nehmen, mehr Personal zu schulen – wenn es getan wird, dann wird davon nicht berichtet, womöglich, um keine „falschen Signale“ zu senden. Und ich wünschte, die Optimierung der Auslastungen von IPS würden weniger unter wirtschaftlichem Druck stehen in Zeiten wie diesen, was dann zu mehr Überhang der Kapazitäten in ruhigeren Phasen führen würde – DAS wären Kostenfaktoren unseres Gesundheitswesens, die unsere Gesellschaft, bezeugt mit ihrem Verhalten, doch eindeutig zu tragen bereit wäre.

Und ich wünschte, die Berichterstattung über alle Aspekte von Covid in unserer Gesellschaft hätte weniger Filter vorgesetzt: Darf die Tatsache, dass ein Grossteil der Covidpatienten Migranten sind, erwähnt werden? Darf darüber berichtet werden, wie gross der Anteil der schweren Fälle unter den Menschen ist, die aus dem Balkan zurück gekehrt sind? Wir wären dann auch hier wieder bei der Empathie, die uns nicht mehr zugetraut wird: Empörung, Klassifizierung, Unruhe wird bei uns eher vermutet als der schlichte Versuch, dem Phänomen mit Aufklärung zu begegnen – und mit Massnahmen, die auch diese Menschen besser schützen.

Womit noch festzustellen bleibt, dass auch und gerade in dieser Pandemie nicht Geimpfte oder Ungeimpfte wirklich die Arschkarte gezogen haben, sondern die wirtschaftlich schlechter gestellten Menschen, die von Lockdowns, Homeschooling und Covid-Gesundheitsrisiken viel negativer betroffen sind als der Durchschnitt all jener, die diese Zeilen lesen. Und da wäre es vielleicht angebracht, sich auch nochmals die Frage zu stellen, ob es uns nicht zu denken geben müsste, dass die in unserer Gesellschaft mittlerweile komplett fehlende Resilienz gegenüber jeder Art von Bedrohung des Lebens um so heftiger auf die Schwächeren zurückfällt. Denn unsere Massnahmen bedingen Wohlstand – dazu passt, dass auch heute auf tausend Stimmen in unserer Presse, welche sich Gedanken über die Verbesserung unserer Impfquote machen, vielleicht eine kommt, welche die Scheinheiligkeit unseres Rufs nach Solidarität brandmarkt angesichts der Tatsache, dass unsere Thematik an der Landesgrenze aufhört und wir bestens damit leben können, dass Impfstoffe woanders dringend gebraucht würden. Denn wenn wir so dringend Impfung wünschen, müsste sie doch Allen zustehen, nicht wahr?

20.August 2021, 3:00

10min schreiben über: Solidarität

Mit dem Begriff der Solidarität, so vielfältig er in diesen Monaten benutzt und „verstanden“ wird, geschieht das Gleiche wie mit anderen Verschlagwortungen, die so typisch sind für unsere Gesellschaft (ich denke da zum Beispiel an den Begriff der Nachhaltigkeit, und wie unterschiedlich sie – je nach Interessenlage – bewertet wird). Wer das Schlagwort wo mit welchen Motiven in den Mund nimmt, macht es so vieldeutig wie schwammig.

Solidarität ist erfahrene Nachbarschaftshilfe bei einer Flutkatastrophe. Wie steht es mit der Spende für ein Hilfswerk in Afrika? Bin ich solidarisch, wenn ich die Kollekte bediene, oder tue ich es einfach wegen schlechtem Gewissen? Und was ist mit dem Menschen, der das beurteilt und wertet? Solidarität wird nicht erst heute eingefordert. Dabei geht vergessen, dass Solidarität – ihrer wirklichen Bedeutung entsprechend – niemals erzwungen werden kann. Was wir gerade erleben, ist eine Absurdität, die sich gegen uns alle richtet und Gemeinschaftssinn zerstört, statt ihn zu fördern. Es ist zum Beispiel einigermassen absurd, dass Geimpfte, welche Rambazamba-Ferien machen und sich bei der Heimkehr um Tests scheren und damit dort weitermachen, wo sie in den Ferien angefangen haben, als solidarisch gelten, weil sie den Pieks empfangen haben. Warum erwarten wir von Mitmenschen, dass sie unbedenklich finden, was für uns selbst keine Sache ist und schauen nicht darauf, wie sich unsere Mitmenschen im Alltag verhalten? Wäre es nicht solidarisch, würden wir uns überlegen, ob man nicht auch Respekt empfinden kann für Menschen, die den Pieks nicht annehmen, obwohl sie dafür auf Annehmlichkeiten verzichten müssen?

Wie steht es um eine Solidarität, zu deren moralischer Akzeptanz gehört, dass sie erzwungen werden kann? Sie bedeutet, dass eine Mehrheit entscheidet, was für jeden Einzelnen gut ist. Wenn wir Kranke nicht behandeln wollen bzw. nicht für sie bezahlen – welches pauschale Urteil haben wir dann über sie gefällt? Und warum? Für was? Für welche eigene Bequemlichkeit sind wir bereit, eine Kampagne zu fahren, welche zwangsläufig Mitmenschen unter die Räder geraten lässt?

31.Juli 2021, 0:10

Als die Fussball-Weltmeisterschaft noch ein Abenteuer war

Das Netz ist momentan voll von anekdotenreichen Erzählungen von den ersten Fussballweltmeisterschaften anno 1930. In Uruguay fand sie statt, und das nur, weil es das einzige Land war, das sich – in quasi letzter Minute – überhaupt bereit erklärte, die WM durchzuführen. Qualifizieren musste man sich nicht – nur die Einladung, in Zeiten der Weltwirtschaftskrise, annehmen. Was immerhin vier Mannschaften aus Europa taten. Frankreich, Belgien, Rumänien und Jugoslawien reisten mit dem Schiff an, denn es gab ja noch keine Interkontinentalflüge. Die Überfahrt dauerte gut zwei Wochen, welche die Mannschaften gemeinsam absolvierten, trainiert wurde dabei nicht viel… der jugoslawische Torhüter soll auf der Reise 16kg an Gewicht zugelegt haben…

Der hohen Kosten wegen sollten alle Partien in einem Stadion ausgetragen werden – doch das war zu Beginn der Spiele noch gar nicht fertig gebaut, so dass die ersten Begegnungen „auswärts“ ausgetragen werden mussten. Obwohl eine Tribüne auch danach nicht fertig gestellt war, fasste das Stadion in Montevideo 80td Zuschauer – es entstand das damals grösste Fussballstadion Südamerikas.

Diese erste FIFA-Weltmeisterschaft kreierte auch den ersten grossen Skandal. Als der französische Stürmer alleine auf das argentinische Tor zulief, und kurz davor war, den Ausgleich zu erzielen, pfiff der brasilianische Schiedsrichter die Partie ab. Dass das sechs Minuten zu früh war, löste endlose Diskussionen aus, bis der Schiri die Spieler schliesslich aufs Spielfeld zurück beorderte – die Uruguayer mussten teilweise aus der Dusche geholt werden. Die Partie wurde zu Ende gespielt, Frankreich verlor trotzdem.

Im Halbfinal zwischen Uruguay und Jugoslawien übersah der gleiche Schiedsrichter, dass ein neben dem Tor postierter Polizist den Assist zum 2:1 der Uruguayer spielte.

Den Schiedsrichter fürs Finale zu finden, war gar nicht so einfach. Der schliesslich auserwählte Belgier Langenus war nur bereit, diese ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen, wenn im Hafen ein Fluchtboot für ihn bereit gehalten würde. Weil die Emotionen zwischen Uruguay und Argentinien hoch kochen konnten, bestand er auf einer Waffenkontrolle beim Einlass der Zuschauer – tatsächlich wurden 1600 Revolver von den Zuschauern eingesammelt. Die Mannschaften stritten bis kurz vor Anpfiff über das Spielgerät. Der uruguayische Ball war anders zusammengenäht als der argentinische – schliesslich wurde mit jedem Ball eine Halbzeit gespielt.

Uruguay wurde erster Weltmeister der Fussballgeschichte. Die Mannschaft hatte zuvor schon zweimal das Olympiaturnier gewonnen und war die damals anerkannt beste Mannschaft und José Leandro Andrade der beste Spieler der Welt. Allerdings hatte Argentinien in der ersten Halbzeit noch geführt, stand aber schlussendlich nur noch mit acht Spielern auf dem Feld wegen Verletzungen. Ausgewechselt durfte damals noch nicht werden…

Kaum zu glauben, aber die WM ist dennoch der Beginn einer unglaublichen Erfolgsgeschichte:

„Wir Europäer waren uns einig: Jeder, der nicht dabei war, hat einen Fehler gemacht.“

Mihailo Andrejevic (jugoslawischer Verbandssekretär, Jahre später)