Ressort: Lebenskunst(Weitere Infos)

29.Dezember 2014, 22:11

Bleibendes schaffen?

credit: Foto by TMSK via istockphoto.com - Famous Caryatid in Acropolis, Athens, Greece Iconic Landmark

credit: Foto by TMSK via istockphoto.com – Famous Caryatid in Acropolis, Athens, Greece Iconic Landmark

Wir glauben nicht an das ewige Leben, wissen um unsere Vergänglichkeit, aber so Vieles, was wir unternehmen, wofür wir unsere Energie aufwenden, dient genau diesem Versuch: Etwas Bleibendes zu schaffen. Es gelingt nie.

Viele unserer Reisen haben Monumente zum Ziel, Bauwerke, Kunstwerke. Wir besichtigen, restaurieren, bestaunen, begehen sie. Und tragen dabei zu deren Verfall bei. Es bleibt nichts Physisches, keine Abbildung, kein Dokument. Alles verfällt oder wird irgendwann vergessen, selbst wenn es noch vorläufig in Archiven ruht. Theaterstücke werden immer wieder aufgeführt, aber keines ist gefeit, irgendwann als „nicht mehr zeitgemäss“ klassifiziert zu werden.

Es gibt das schöne Werk nie für die Ewigkeit. Die eigentliche Essenz, die sich weiter tragen liesse, die vertieft werden könnte, wäre die Erkenntnis – so lange, bis auch sie abgelöst wird – der Romantik überführt, als Naivität verspottet oder in ihrer Unbequemlichkeit vom Frohsinn oder dem Geschäftssinn zugedeckt, oder als bisheriger Grad einer Unwissenheit von einer neuen These abgelöst….

Kunst kämpft schon heute mit der Beklemmung, dass es keinen Gedanken gibt, der nicht schon gedacht worden wäre, kein Thema, das nicht schon komponiert, besungen, beschrieben worden wäre. Einmaligkeit scheint es so wenig zu geben wie Dauerhaftigkeit. Was aber ist daran wirklich schlimm? Denn alle diese Werke, aller schöpferischer Drang, jeder Versuch, einen Brief zu schreiben, der verstanden werden wird, ein Gefühl zu besingen, das empfunden wird, ein Licht zu malen, das gesehen wurde – all dies berührt ein Herz, beschäftigt einen Verstand, ist in gleichem Masse Schöpfung wie Abklatsch – weil in allen unseren Dingen und Antrieben der Verfall schon bröckelt. Und doch machen wir weiter, dürfen wir weiter machen. Denn alles, was wir denken, beseelen, wird aufgenommen, abgelegt, weiter getragen. Nichts bleibt ohne Folge, alles ist Werden und Vergehen. Es ist genau so gut auszuhalten, wie die Tatsache, dass wir nicht wissen, woher wir gekommen sind und wohin wir gehen. In allem, was wir aufnehmen und mit dem wir achtsam umgehen, werden wir zu Botengängern und Gehilfen für Lebensversuche:

So leben, dass die Zeit nichts Feindseliges mehr an sich hat: Sie macht uns die Vergänglichkeit bewusst. Gleichzeitig kennt sie kein Ende. Wenn ich darin aufgehen kann, wird die Vergänglichkeit ihren Schrecken verlieren.

2 Gedanken zu „Bleibendes schaffen?

  1. Gerhard

    Wunderbar formuliert. Ein dankeschön dafür!
    Ich sehe es als ein Phänomen an, dass es möglich ist, Gedanken von Philosophen vor gut 2000 Jahren nachvollziehen und diskutieren zu können. Wieso kann Sprache das??

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Dazu kommen die Übertragungsverluste durch Übersetzungen, Interpretationen, Hörensagen.
      Die Sprache kann viel, sehr viel. Aber es gehört zu den grossen Phänomenen, dass sie in sich ebenso bruchstückhaft bleibt. Besonders auch: Wie wirkt der gleiche Satz nur gehört, dann im Gespräch erlebt? Wenn Gestik, Mimik dazu kommen. Und was bewirkt das Timbre der Stimme?

      Und wie wird ein Satz verstanden, gefestigt, be-deutet, wenn er zu Literatur wird? Warum bleibt uns das eine haften, das andere geht vergessen? Wie entsteht und entwickelt sich Philosophie?

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