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03.Januar 2015, 22:00

Tennis an der absoluten Spitze

Tennis ist ein Weltsport, der das ganze Jahr lang Saison hat: Entsprechend gross ist die Konkurrenz und die Saison lang. Um so erstaunlicher, wie schwer es bei den Männern fällt, die Phalanx on Top zu durchbrechen.

Jedes Jahr fragen wir uns, wer in der neuen Saison den grossen Drei Djokovic, Federer und Nadal gefährlich werden könnte? Und vor allem: Wer kann ihnen dauerhaft Paroli bieten? Denn es scheint unheimlich schwer zu sein, den Durchbruch komplett zu schaffen – und erst recht, ihn dann auch zu bestätigen.

Robin Söderling ist bis heute der Einzige überhaupt, der es je geschafft hat, Raffael Nadal in Roland Garros zu schlagen. Gewonnen hat er das Turnier dennoch nicht. Im Finale wartete Roger Federer. Die beiden verbindet noch etwas: Beide erkrankten in ihrer Karriere am Pfeifferschen Drüsenfieber. Federer kam zurück, für Söderling war es das Ende der Karriere.

David Ferrer war regelmässig wie ein Uhrwerk. Bescheiden, sympathisch, kämpferisch brachte er immer seine beständige Leistung. Ein Halbfinale an einem Grand Slam war immer drin für ihn. Und dann gelang ihm in Roland Garros der Vorstoss ins Finale. Gegen Nadal blieb er chancenlos – und in der Folge verlor er an Boden. Ferrer kämpft um den Verbleib unter den zehn Besten.

Der Argentinier Juan Martin del Potro gewann 2009 die US-Open – und plagt sich seither mit Rücken- und Handverletzungen herum.

Marin Cilic überraschte dieses Jahr die Fachwelt mit dem Sieg am US-Open, wo er mit Kei Nishikori einen anderen Aussenseiter bezwang. Beide hatten danach eine eher durchzogene Restsaison, auch mit körperlichen Problemen.

Es ist offensichtlich: Es ist unheimlich schwierig, ein Grand Slam Turnier zu gewinnen in einer Zeit, in der drei absolute Ausnahmecracks aktiv sind – von denen jeder seine ganz speziellen Stärken hat. Federers Vielseitigkeit und Genialität und seine Stärken als Hallenspieler, gepaart mit einer unglaublichen Ökonomie, was die Wahrung seiner körperlichen Ressourcen betrifft, Djokovics Beständigkeit und Fähigkeit zur Fokussierung, Nadals beinahe unmenschliches Krafttennis – dagegen anzukommen und für einen der ganz grossen Turniererfolge sieben Siege en suite über drei Gewinnsätze aneinander zu hängen – das erfordert enorme mentale Stärke. Wird sie erbracht, sind danach die Batterien leer – und die Spieler verändern wohl in Anbetracht der Situation und mit der Motivation, den Erfolg zu bestätigen, auch gewohnte und bewährte Strategien – und erhöhen den Aufwand noch mehr. Das führt zu Überbelastungen und Destabilisierung.

So gesehen wird es interessant sein, wie Stan Wawrinka seinen Weg weiter gehen kann: Auch er wollte nach seinem Sieg an den Australian Open letztes Jahr zuviel – aber er gewann danach immerhin auch sein erstes 1000-Punkte-Turnier – und am Ende der Saison auch den Daviscup, wobei er entscheidenden Anteil am Sieg in Lille hatte.

Schauen wir also wieder hin, welche Geschichten 2015 geschrieben werden.

 

 

 

4 Gedanken zu „Tennis an der absoluten Spitze

  1. Gerhard

    Stichwort: „enorme mentale Stärke.“
    Für einen Turniersieg muß man nicht notwendigerweise enorme mentale Stärke aufs Tabet bringen. Wenn Du, wie ich einst im Schach, nacheinander mehrmals in die Ränge kamst, ist es fast normal, um den Turniersieg zu spielen. Egal wie stark besetzt das Turnier war: Ich wusste, ich bin für die Plätze 1 -3 gut.
    Was ich sagen will: Es ist viel einfacher, zu gewinnen, wenn man beständig oben mitmischt. Niemand der Nachfolger der Großen muß sich von Anfang an eines Turniers quälen. Er muß zu Ende zu fokusiert sein, vielleicht ab dem Viertelfinale.

    Dies alles schrieb ich NICHT, um meinen regionalen Sport mit einem Spitzensport zu vergleichen. Doch mental wird es an der Spitze nicht unbedingt anders ablaufen wie in einer tiefer angesiedelten Sparte.
    Es ist aber klar, daß die „Härte“ zunimmt, je höher man spielt. Aber an die gewöhnt man sich – wenn man den Erfolg will.
    Man kann ein Turnier nur gewinnen, wenn man es deutlich für möglich hält. Sonst ist man zu nervös.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Lieber Gerhard,
      Du sagst nichts anderes, als das, was ich selbst ausdrücken will. Auf Dein Beispiel angewendet heisst das:
      Deine Gegner in den ersten Runden müssen ihre mentalen Reserven sehr viel früher anzapfen als Du. Sie brauchen, um Dich allenfalls doch mal zu schlagen, neben Deiner zu tiefen Sparflamme der Konzentration eine aussergewöhnliche persönliche Leistung.
      Wenn an der Leistungsspitze das effektive rein sportliche Leistungsvermögen sehr eng bei einander liegt, werden diese mentalen Dinge eben sehr viel wichtiger. Ein Federer hat auch emotional viel weniger Schwierigkeiten, sich vor einem Halbfinale zu fokussieren, als jemand, der bereits ein emotionales Hoch kanalisieren muss. Das ist meist eben gar kein Vorteil.
      Genau aus Deinen geschilderten Gründen ist ein Durchbruch im Tennis von einem Überraschungsmann so selten. Es ist aber um so faszinierender, diese „Mechanismen“ beobachten und an konkreten Ereignissen festmachen zu können.

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      1. Gerhard

        D’accord!
        Aber nochmals, weil ich nicht weiß, ob mein Hauptargument klar war (vielleicht war es doch klar): Bevor ich erstmals ein Turnier gewann, belegte ich mehrmals gute Plätze, dann auch mal Platz 3, was dann deutlich Vorraussetzung war, auch für möglich zu halten: Wieso nicht auch ein Turniersieg?! Kaum war das einmal geschafft, regnete es fast nur noch Turniersiege!
        Zunächst musst Du Dich herantasten, geduldig sein und nicht zuviel erwarten und reinlegen.
        Von einem Mitspieler wusste ich, daß zuviel Erwartung eher negativ ist. Man muß sich zwar für den Turniersieg interessieren, aber mehr unterschwellig. Wer zu stark brennt, kann es kaum schaffen.
        Das wollte ich nochmal nachreichen. Vielleicht war es überflüssig, dann entschuldige.

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        1. Thinkabout Beitragsautor

          Alles gut! Und verstanden.
          Man könnte noch anfügen: Die Menschen sind verschieden. Der eine muss sich sehr bewusst sagen, dass er es schaffen kann, der andere darf sich nicht zuviel Druck machen.
          Ein Trainer versucht nicht zuletzt genau diese Vorgänge zu ergründen und seinen Schützling dann entsprechend einzustellen.

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