Ellen Schwiers findet im Unterhaltungstalk bei Markus Lanz, dass die Medien heute „viel zu gegenwärtig“ berichten würden. Im ersten Moment ist das eine etwas irritierende Formulierung, aber ich finde sie sehr tiefsinnig. Ich habe mich, als ich es hörte, gerade ein bisschen geräder hingesetzt in meinem tiefen Sessel.
Esther Schwiers ist eine alte Dame im besten Sinn des Wortes, die entwaffnend lächeln kann, während sie sehr überzeugend davon spricht, dass es nicht gerade toll ist, alt zu werden. Dass sie einen noch sehr wachen Geist besitzt, ist offensichtlich, und ihre obige Aussage führt sie aus, indem sie auf die Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen verweist und die Aufforderung an die Betroffenen, die Gefühle zu beschreiben, welche sie gerade durchleben, schlicht absurd nennt.
Und dann spricht sie davon, dass man doch nicht wirklich im Ernst meinen kann, das sei überhaupt möglich, im Moment des Empfindens?
Und ich denke daran, wie viel Energie wir darauf verwenden, der Aktualität hinterher zu setzen – und wie wenig dafür, das zu beleuchten, was die Aktualität nachhaltiger verändert? Und das ist das, was wir mehr lesen sollten – und suchen: Den Essay, die Reportage, die Rekapitulation, welche versucht, Erlebtes, das sich gesetzt hat, zu erzählen. Das Leben, das real geschrieben wird, seine bestimmenden Erfahrungen – sie begründen Romane, Erzählstoffe, aber sie sollten auch mehr Platz bekommen im allgemein vorhandenen Topf der Schreibenergie: Sich mehr Zeit lassen, die Aktualität ausdampfen lassen, bis das zurück bleibt und sich zeigt, was essenziell ist und sich also länger hält als einen Tag.