Ich habe immer gern für mich in Anspruch genommen, dass ich Kritik an meiner Person vertrage, sie annehme und bedenke. Mein Verstand sagt(e) mir: Kritik ist eine Hilfe. Sie erlaubt Entwicklung. Buddhistisch verbrämt, mit Halbwissen aus entsprechenden Büchern, ist es dann bis zum Feind, der doch als Freund gesehen werden soll, nicht mehr weit. Tatsache ist aber: Ich tue mich mit Kritik schwer. Wem geht das nicht so?
Denn zuerst einmal ist das gesund. Es bedeutet, dass man einen eigenen Standpunkt hat, eine Überzeugung, eine gute Meinung von sich. Oder? Dumm nur, dass ich nur vordergründig Kritik von meinen Nächsten leichter annehme als von einem Geschäftspartner. Wahrscheinlich ist das sogar umgekehrt. Und daran zeigt sich, dass Kritik dann schwer anzunehmen ist, wenn sie dich wirklich erreicht. Wer kennt dich besser als deine Freunde, deine Frau, deine Eltern, deine Kinder?
Und wem gegenüber reklamieren wir nicht gerne umgekehrt Regeln, Respekt, Anstand, Verständnis, Liebe? Es ist manchmal ein weiter Weg, bis wir anerkennen können, dass Kritik auch wohlmeinend ist – oder heilsam sein kann – der Kritiker mag uns weiter schnuppe sein, aber wenn er etwas anspricht, was einen Kern Wahrheit in sich trägt, ist das erst mal eine Chance, sich zu erkennen und damit zu arbeiten. Sie benennt eine Schwäche, eine Unsicherheit, eine Unachtsamkeit, die Wirkungen erzeugt, die ich im Grunde doch wirklich nicht will. Also sollte ich versuchen, sie nicht gleich von mir zu weisen. Sie mal bedenken schadet niemandem.
Der Fingerzeig, dem ich dabei im Moment gerade folge, ist quasi die Umkehrung dieser Aufgabe:
Wie nehme ich über mich geäussertes Lob an? Natürlich gut! Wer wird nicht gern gelobt? Aber es ist ein Unterschied, zu registrieren, dass es tatsächlich angenehmer ist, gelobt zu werden, als eingestampft. Aber das ist nicht das, was gemeint ist: Nehme ich Lob wirklich an? Glaube ich es? Gestatte ich mir den Gedanken, dass die mir zugedachte gute Eigenschaft wirklich typisch ist für mich? Sehr oft schwächen wir diese guten Worte mindestens so ab, wie wir Kritik abprallen lassen (müssen). Und womöglich bedingt das eine das andere. Denn wenn wir an den Punkt kommen, dass wir einem Menschen gestatten, uns zu kritisieren, weil wir wissen, dass er es aufbauend meint, bzw. wir um unsere Werte ganz allgemein wissen, weil wir die vielen Zeichen dafür, egal von wem, genau so akzeptieren können, dann gehen wir viel unaufgeregter mit Kritik um – und setzen uns bewusst damit auseinander. Unser Selbstbild bestimmen immer wir – aber die Kraft, uns mit Stärken und Fehlern beziehungsfähig zu zeigen, muss immer aus uns selbst geboren werden. Und Liebende wie Kritisierende, oder kritisierende Liebende haben nur dann die Chance, mit ihren gut gemeinten Anregungen zu uns durchzudringen, wenn wir sie lassen. Kein Mensch besitzt die Kraft, uns zu verbessern oder zu ergründen, wenn wir selbst nicht in die Lage kommen, ihnen wirklich zuzuhören und ihren Worten nachzufühlen.