Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

25.September 2015, 19:28

Abgaswerte, Verbrauchswerte – und unsere Konsequenz?

Volkswagen atmet die eigens unterschlagenen Abgase ein und geht schweren Zeiten entgegen. Die Empörung ist gross, der Herr Winterkorn schon weg. Und wie geht es jetzt weiter und wie aussergewöhnlich ist die Geschichte wohl überhaupt?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Im besten, wenn auch für VW schlimmsten Fall haben die Wolfsburger tatsächlich gedacht, sie wären cleverer als alle anderen und haben bei den Anfaben der Abgaswerte ihrer Karossen so schändlich beschissen, dass es unglaublich bleibt. Das könnte dann bedeuten, dass VW so viele Klagen um die Ohren wehen, dass der Konzern in seiner heutigen Struktur gar auseinander fallen könnte.

Die zweite Möglichkeit ist die, dass neben VW die meisten oder alle deutschen Autobauer mit betroffen sind, weil sie sich genau gleich verhalten haben und spätestens jetzt sicher ist, dass das ganz bestimmt auch an die Oberfläche kommt. BMW dementiert ja schon eine solche Meldung. Noch. Ganz abwegig ist die Annahme eines Verhaltens eines ganzen landesweiten Industriezweigs nicht, denn in keinem anderen Land der Welt geniesst die Autoindustrie einen solchen Sanktus-Status wie in Deutschland. Das fördert bekanntlich nicht die Pflege der Grundlagen hierfür, sondern die Gier und damit die Schamlosigkeit.

Und die dritte Möglichkeit ist, dass wir eher früher als später präsentiert bekommen, dass sämtliche Autobauer Abgaswerte frisieren. Unter anderem.

Spätestens dann sind wir an dem Punkt, an dem die einzige Frage gestellt wird, über die sich wirklich zu diskutieren lohnt, weil wir nur darauf wirklich Einfluss haben: Auf uns selber: Was fangen wir mit dieser Geschichte an? Zucken wir mit der Schulter, wie bei den Banken? Eine Bank braucht jeder, und keine ist besser als die andere. So sehen es Viele? Und beim Auto? Das Auto ist unverzichtbar, der Motor geil, der Komfort gut, das Blech schwer und massig um uns herum. Das gibt ein gutes Gefühl. Dieses Gefühl lässt sich greifen.

Wir machen den Tanz schon lange mit: Wir fahren Treibstoffarme Autos – seit wir ein gutes Gefühl haben, wenn beim Benzinbedarf ein möglichst tiefer Wert ausgewiesen wird, hat die Autoindustrie einhellig die Vergleichstest für die Angabe dieser Werte so technisch modifiziert und unter Laborbedingungen gestellt, dass kein einziger Meter mit den getroffenen Annahmen überhaupt gefahren werden kann. Entsprechend gross ist der Unterschied zwischen Deklaration und konkreter Erfahrung. Und haben wir uns nicht bereits daran gewöhnt?

Die Autoindustrie macht fette Gewinne. Sie bedient ein Konsum- und Statusbedürfnis wie die Smartphone-Industrie, bei dem das richtige weil „fette“ Teil viel wichtiger ist als jede Ökologie. Und jede Ethik. Es zählt nur die Kundenansprache im Tempel. So wirken Verkaufsräumlichkeiten von „Marken“ heute. Zum neuen Auto wird mir gratuliert, und dass ich fürs neue iPhone so viel Zaster über den Tresen reichen darf, soll womöglich mein Hochgefühl noch steigern. Dass ich beschissen werde bei einem immer grösseren Teil der Angaben, die mir zu Abgaswerten, Verbrachswerten, Akkuleistungen etc. gemacht werden – wen interessiert es?

Wie viel kostet ein Smartphone der neusten Generation in der Herstellung? 50 Euro? Zwanzig? Zehn? Glauben Sie mir, Sie wollen es nicht wissen. Und auch das ist ein Teil des Problems.

Wir bekommen vielleicht nicht, was wir verdienen. Aber wir verhalten uns so, dass die Anbieter am Ende recht bekommen.

 

4 Gedanken zu „Abgaswerte, Verbrauchswerte – und unsere Konsequenz?

  1. ClaudiaBerlin

    Ganz so billig sind die Smartphones nicht. Hier hat mal jemand ein iPhone 5s analysiert:
    http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/bauteil-analyse-so-viel-kostet-das-iphone-5s-wirklich-a-924603.html
    Wenn ich das richtig verstehe kostet es in der Herstellung 218 Dollar – ohne Entwicklungskosten und Lizenzen.

    Bin auch gespannt, wie sich der Abgas-Skandal weiter entwickelt. Es wusst ja doch jeder, dass kaum ein „Wert“ mit der Realität übereinstimmt. Wie ich las, kann man das bei modernen Autos auch am eingebauten Monitor ablesen, da der aktuelle Benzin/Diesel-Verbrauch angezeigt wird (=Hörensagen!).

    Symbolpolitik fürs Klima ist allüberall das Mittel der Wahl. Bloß sich nicht verändern – die E-Mobilität gehen die deutschen Autobauer ja nicht etwa ernsthaft an, sondern stauben nur Entwicklungsförderungen ohne Ende ab.
    Ein Tesla kam dabei bisher nicht raus… Evtl. werden wir noch erleben, wie das Google-Auto den Durchmarsch macht! Allein schon dessen Design ist ja die reine Provokation!

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Liebe Claudia
      Danke für den Link! Die Schlüssigkeit kann ich zwar auch nicht beurteilen, aber es ist immerhin mal eine Grundlage, auch wenn der Artikel etwas älter ist. Interessant ist auf jeden Fall, wie er den Kniff beleuchtet, günstig erstellten Zusatznutzen teuer an den Kunden zu bringen.

      Was Du über die deutsche Automobilindustrie sagst, ist wohl Teil des Problems:
      Keine andere Industrielobby ist in D politisch mächtiger als die Autoindustrie. Und ich glaube, das ist Kern des Problems. Macht reduziert den Respekt vor den Kunden, den Mitarbeitern, der Konkurrenz, den Behörden. Macht entzieht sich allen Regularien. Macht hat am Ende nur noch einen Feind, an der sie dann aber doch zugrunde geht: Die Gier.
      Was wir mit VW erleben, ist in seiner Tiefe und Auswirkung womöglich ähnlich gravierend wie die Finanzkrise, zeigt aber vor allem eines: Es ist völlig verfehlt, über eine einzelne Branche her zu fallen und diese als besonders gewissenlos zu bezeichnen. Es gibt diesen Verlust an jeglicher Demut oder Bereitschaft, sich Regeln zu unterwerfen, in allen Wirtschaftszweigen und Gesellschaftssystemen, in denen Wettbewerb am Ende darauf ausgerichtet ist, einen Sieger zu erküren. Einen einzigen.

      Ja, Autos zeigen heute den Verbrauch pro km an – aber das beantwortet ja nicht die Frage, wie schädlich das ist, was ich beim Verbrauch noch ausstosse?

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Liebe Claudia,
      wenn hier nichts geht, hat das natürlich Gründe.
      Und wenn ich diese Gründe nicht öffentlich ausbreite oder noch nicht ausbreiten will, dann geschieht das bewusst.
      Allgemein formuliert stelle ich einfach fest:
      Mir fehlt die Perspektive. Und damit die Orientierung.
      Es ist einfach – genau so wie es vorher täglich „Produktion“ gab – jetzt ein Zeitpunkt da, an dem alles stockt.
      Hunderte von Texten wanderten wohl schon im Papierkorb.
      Sie bringen einfach nichts. Schreiben allerdings tue ich weiter täglich.
      Und irgendwann weiss ich auch wieder, wie das öffentlich geschehen soll.
      Egal, ob ich dann einfach wieder finde, das Blog füttern zu wollen, oder ob ich wirklich glücklicher mit den Texten bin als bisher.

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