So langsam lässt sich über Corona hinaus schauen. Also, über alle Kurven und Abflachungen hinaus auf ein Leben nicht ohne, sondern mit dem Virus. Denn es verschwindet ja nicht. Aber die Zeit muss kommen, in welcher wir die Wirtschaft wieder vom Beatmungsgerät nehmen. Das Danach wird uns die Aufgabe stellen, mit den Folgeschäden umzugehen.
Dabei wird uns – zuerst – helfen, dass wir ein Stück Entschleunigung gelernt haben. Oder sagen wir es weniger euphorisch: Wir haben alle daran genippt und womöglich zwei Dinge zu denken zugelassen: Dass nämlich einerseits ein ruhigerer Alltag uns ganz anders leben liesse, und dazu wird sich die Wertschätzung gesellen, dass so vieles, das zurück kommt, ganz neu erlebt werden kann. Aber diese Betrachtungen gehören zu einem plötzlich sich aufklärenden Himmel nach dem schweren Sturm: Wir stehen dann erst am Anfang der immensen Aufgabe, einvernehmliche Wege zu definieren und zu verfolgen, mit denen die Langzeitschäden aufgefangen, gemildert und irgendwann überwunden werden können. Vereint in der Abwehr gegen einen absurd anmutenden, unsichtbaren Feind haben wir uns nur darin finden müssen, den Weg der Regierung mitzugehen und still zu halten. Viel schwieriger wird es sein, unsere Bedürfnisse für die materielle Genesung und die unzähligen Meinungen für die Erreichung dieses Ziel in einer Strategie zu einen. Denn je mehr wir das zusammen tragen werden, um so schneller wird es Vielen von uns wieder besser gehen – ohne dass der Rest von Bord fällt oder rebelliert, weil das Gefühl aufkommt, zum Verlierer zu werden. Populisten haben in den letzten Monaten kaum mehr Einfluss auf die Politik gehabt – aber das kann sich ganz schnell ganz grundlegend wieder ändern. Wir Alle müssen dabei bleiben: Lösungen sind schwierig, die Probleme riesig, die Ansätze vielfältig, den Köngisweg kennt noch keiner.
Wenn die Gesellschaft aber mehr wieder eine Gemeinschaft wird, bleiben Fehler auch korrigierbar, können Lösungen gefunden und auch wieder angepasst werden. Wir werden Handlungsstärke benötigen und Mitarbeit. Regierung und Bürger haben es nie nötiger gehabt, zusammen zu stehen. Und die Wirtschaft braucht eh beide – die Unterstützung des richtigen Masses an Regulierung durch die Behörden und den vollen Einsatz der Angestellten. „Der Staat“ ist kein abstraktes Konstrukt wie die EU, den Staat bilden wir. Wir machen ihn aus, wir geben ihm Verlässlichkeit, wenn wir unsere Bürgerrechte wahrnehmen und dies mit demokratischer Kultur machen. Diese Kultur beinhaltet, dass Entscheide vermehrt wieder im offenen Diskurs zustande kommen, aber auch, dass man sie trägt, auch wenn das Wasser damit nicht nur auf die eigene Mühle geleitet wird.
Es wird viele Bereiche geben, in denen wir alle von äusseren Umständen abhängig bleiben – um so wichtiger ist, das, was wir mit Gestaltungswillen anpacken können. Neinsager und Abwehrer sollen es schwer haben – und gleichzeitig zeigen unsere Erfahrungen dieser Monate, wie gefährlich Globalisierung ohne eigene Regularien ist (was die Chinesen nie anders hielten, womit sie den scheinbar offenen Wettbewerb am Weltmarkt längst zum Witz gemacht haben).
Ja, es wird auch zukünftig in den internationalen, weltweiten Beziehungen um wirtschaftliche Vorteile gehen. Das ist das einzige Schmiermittel, dem alle Politik Bedeutung zumisst. Es liegt an uns, nicht so schnell zu vergessen, dass viele so genannte „Deals“ mehrere Ebenen haben – und diese werden nicht austariert. Der Stärkere, welcher zum Schwächeren schaut – das funktioniert zuerst und maximal unter uns. Das „Uns“ zu definieren, wird herausfordernd bleiben. Naiv sollten wir das nicht angehen. Das lernen wir gerade auf unangenehm deutliche Weise.
Ihr Beitrag trifft für mich bei vielen Aussagen den Nagel auf den Kopf! Corona zeigt uns neue Grenzen auf!
Vielen Dank, Herr Feller, und willkommen in meinem bescheidenen Häuschen!