Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

25.Oktober 2020, 20:30

Angst und Unwissen

Bald laufen wir überall und immer mit Masken rum. Und alles, was wir tun, machen wir ohne gesicherte Erkenntnisse. Wir haben einfach Angst. Und diese Angst wird geschürt. Auch und gerade durch die Art, wie über Covid-19 berichtet wird. Es ist nicht dagegen anzukommen.

Plötzlich wird von jungen Menschen berichtet, die „im Fall“ viel schwerer erkranken, als bisher bekannt. Von Spätfolgen, die „im Fall“ viel schwerer wiegen, als bisher angenommen. Von Erkrankten, die wieder erkranken. Und die Fallzahlen steigen. Also rennen wir überall mit Masken rum. Obwohl nach wie vor der Nachweis von konkreten Ansteckungen beim Einkaufen nicht gelungen ist.

Wir legen Messlatten bereit, an denen wir – mag es noch so willkürlich sein – den Grenzverkehr mit Menschen aus den Nachbarstaaten regeln. Einen Verwandtschaftsbesuch im Nachbarland machen geht nicht. Einkaufstourismus mit Aufenthalt von weniger als 24 Stunden aber schon. Das Problem mit unserem Nichtwissen ist ja am Ende, dass wir mit den konkreten Verordnungen erst offenlegen, wie gross unsere Wissenslücke ist. Und wo die jeweiligen durchsetzbaren Prioritäten liegen. Wir haben für unser Vorgehen keine Logik.

So nebenbei erfahre ich, dass Grippeimpfungen generell schon immer nicht sehr sicher waren und Menschen, denen sie besonders empfohlen wurde, den Alten nämlich, am meisten Gefahr laufen, dass die Impfung unwirksam ist. Mit einer Corona-Impfung wird es sich ähnlich verhalten.

Ich muss lernen, mit dem Chaos und den Pseudostrategien unserer Politik und Wissenschaft umzugehen – vielleicht lernt die Gesellschaft ja umgekehrt akzeptieren, dass wir da ein Virus haben, das pieksen kann. Im schlimmsten, ganz seltenen Fall, tödlich. Vielleicht ein bisschen öfter als bei schweren Grippewellen auch. Derweil geht es darum, unseren Fokus darauf auszurichten, was wir unbedingt nahe der Normalität halten wollen?

Die Bildung zum Beispiel – je mehr eingeschränkt der normale Alltag in Kindergarten und Schule ist, um so mehr verschärft sich die Benachteiligung ärmerer Kinder, die allgemein in bildungsferneren Schichten aufwachsen. Sie werden ausserhalb der Schulorganisation am wenigsten gefördert und motiviert. Und unsere Alten, die wir vermeintlich so sehr schützen wollen… wir sollten Ihnen so viel Selbstbestimmungsrecht wie möglich lassen. Und nicht ihre Angst voraussetzen, sondern gerade bei diesem Thema vermehrt über Lebensqualität nachdenken.

Und dann können wir doch gleich bei uns selbst weitermachen. Wer von uns kann behaupten, dass er mit seinem Umfeld genau so intensiv verbunden ist wie vor der Pandemie? Und woran liegt das? Gibt man uns den Impuls, so igeln wir uns ein. Ganz offensichtlich ist das was dran.

Wir zahlen einen hohen Preis. Und er wird noch viel höher werden.

2 Gedanken zu „Angst und Unwissen

  1. ClaudiaBerlin

    Die Bilder aus Italien im Frühjahr genügten als „Impuls“, um in DE die große Mehrheit der Menschen zu Maßnahmen zu motivieren, die sie schon deutlich vor dem offiziellen Lockdown ergriffen haben!

    Dass seit 2 – 3 Wochen die Infiziertenzahlen drastisch steigen, lässt sich nicht leugnen -. und nicht nur sie, sondern jetzt auch wieder die Zahl der Menschen in Krankenhäusern und die Todeszahlen. Für DE wurde ausgerechnet, dass – wenn es so weiter geht – die Auslastung der Krankenhäuser in 24-28 Tagen erreicht ist – in anderen Ländern ist dem bereits in einigen Regionen so.

    Wie es aussieht, stimmt auch jetzt wieder eine deutliche Mehrheit den anliegenden Maßnahmen zu – in DE verhandeln sie grade einen neuen „Wellenbrecherlockdown“. Viele verlangen auch die Schließung der Schulen und Kitas, die ja offen bleiben sollen, um die Wirtschaft nicht allzu sehr lahm zu legen.

    Du sprichst einerseits von der Angst – aber mit dem Tenor, als wäre sie von irgendwem absichtsvoll geschürt. Dabei weißt du doch sicher, dass die Presse ganz allgemein und immer dazu neigt, schlechte Nachrichten prominent zu verbreiten – um gelesen zu werden, um Klicks zu generieren, um selbst alles für das Weiterbestehen ihrer Firmen zu tun.

    Des weiteren verlangst du Beweise, dass hier oder dort Ansteckungen passiert seien, bevor eine Beschränkung eintritt. Das ist ein weit verbreitetes Argument, dem teils sogar Gerichte gefolgt sind (z.B. bei „Sperrstunde“ in DE, gegen die ich auch angeschrieben habe), Aber hält es denn wirklen einer unvoreingenommen Prüfung durch den gesunden Menschenverstand stand?

    Ein Twitter-User hat heute recht prägnannt getweeted:

    Industrie ist kein Pandemietreiber ➡ BDI
    Gastronomie ist kein Pandemietreiber – DEHOGA
    Schule ist kein Pandemietreiber – Kultusminister
    Handel ist kein Pandemietreiber – HDE
    Personenverkehr ist kein Pandemietreiber – DBahn
    = Corona!

    WIE sollte man denn „beweisen“, wo sich jemand angesteckt hat? Das gelingt doch effektiv nur bezüglich einzelner Veranstaltungen, nach denen eine hohe Zahl der Teilnehmer positiv getestet wurde. Vergleichbares ist für die vielen Alltagskontakte Einzelner doch gar nicht erfassbar/nachweisbar! Das keinswegs immer erfolgreiche „Nachverfolgen“ gelingt mittlerweile aufgrund der schieren Menge der Fälle nicht mehr, also ist das Verhängen von Beschränkungen doch das Einzige, was bleibt.

    Und es gibt ein noch grundsätzlicheres Argument: „Evidenzbasiert“ kann nur sein
    -> was es schon einmal massenhaft gegeben hat,
    -> und dann auch wissenschaftlich ausgewertet wurde.
    Politische Maßnahmen / Beschränkungen gegen neuartige Herausforderungen KÖNNEN diesem Anspruch gar nicht entsprechen – DAS finde ich logisch!
    Politiker/innen müssen handeln, denn Nichtstun würde die Bevölkerung erst recht nicht akzeptieren. Derzeit möchte ich nicht in ihren Schuhen laufen…

    „Wer von uns kann behaupten, dass er mit seinem Umfeld genau so intensiv verbunden ist wie vor der Pandemie?“

    Ich, denn vor Corona wie anfangs und auch jetzt sehe ich genau 2 Pesonen pro Woche, meinen Liebsten und einen guten alten Freund. Ansonsten mal einkaufen gehen, Nachbarn auf der Treppe grüßen, Lieferdienst Trinkgeld geben – das wars (ich arbeite übers Netz und sehe meine Auftraggeber nie). Mir ist aber klar, dass das alles andere als repräsentativ ist und Jüngere ein ganz anderes Kontaktverhalten benötigen – ich wäre in jungen Jahren wohl auch eher renitent gewesen, wenn mir der Kneipenbesuch verunmöglicht worden wäre!

    Ich verstehe auch alle gut, die wg. der Maßnahmen existenzielle Probleme haben. Ob ihnen allerdings am Ende besser gedient wäre, würde man ein exponentielles Wachstum der Infektionen einfach so laufen lassen? Auch dann würden ja immer mehr Leute Angst bekommen und sich immer weniger aus dem Haus wagen. Das Elend würde sich aber wohl länger hinziehen, als wenn das wieder mal (fast) alle gleichzeitig machen, zumindest in den stark betroffenen Regionen.

    Eine Lösung, die allen gefällt, kann es m.E. nicht geben. Wir werden diese Nerverei noch länger haben, so ätzend das auch ist.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Liebe Claudia
      Ich danke Dir für Deinen langen Kommentar, mit dem Du auf meine Gedanken eingehst.
      Wir werden die Chose nie auflösen können. Ich bleibe dabei, dass wir für eine – wie ich nach wie vor überzeugt bin – bewältigbare gesundheitliche Herausforderung als Gesellschaft komplett überreagieren und dabei Werte riskieren, die mir ganz offensichtlich wichtiger sind als dem Grossteil der Menschen (bestreite gar nicht, dass ich da zu einer Minderheit gehören mag). Was wir überhaupt nicht auf dem Kieker haben, und was ich Dir in jedem Fall entgegen halten möchte, auch wenn es nicht beweisbar ist, sondern erst erfahren werden muss:
      Unsere Strategie wird nicht funktionieren. Die Ziele, die wir definieren, können nicht erreicht werden. Wir laufen in den nächsten Lockdown, und wir werden wohl erst dann akzeptieren, dass wir mit der Bedrohung leben müssen und WIRTSCHAFTEN, wenn die Wirtschaft zusammengebrochen ist oder in jedem Fall lange, sehr lange braucht, um sich zu erholen.
      Und in unserer politischen Diskussion der Statistiken und dem Ansinnen, dass wir einfach reagieren müssen, auch wenn wir so Vieles nicht wissen, gebe ich zu bedenken:
      Über die fehlenden Lernerfolge der Schüler, insbesondere in weniger gut situierten Familien, in diesem Jahr gibt es keine Statistiken.
      Über die Erkrankungen durch Vereinsamung der ältesten Generation gibt es keine Statistiken.
      Über die (schnelleren) Todesfälle infolge verschobener Operationen oder wegen der Hemmnisse, ein Spital aufzusuchen, gibt es keine Statistiken.
      Über Selbstmorde oder zerstörte Familienstrukturen durch die erhöhten Belastungen gibt es (noch) keine Statistiken.
      Über die Nöte allein erziehender Mütter mit unterprivilegierten Jobs in diesen Zeiten gibt es keine Statistiken.
      Über die häusliche Gewalt gegen Frauen in Corona-Zeiten gibt es keine Statistiken und wird es nie verlässliche geben.
      Die Liste kann noch lange weiter geführt werden.
      Würden wir die Mittel, die wir als Flickwerk für all die verschiedene Not versuchen bereitzustellen, gezielt für die Schaffung von Notgesundheitsstrukturen einsetzen – und hätten keine Angst vor entsprechenden Bildern – würden wir zeigen, dass wir dem Problem in die Augen sehen und es akzeptieren.
      Die Impfungen, wenn es sie denn gibt, werden noch lange Risiken bergen – und ganz Viele von uns werden sich mit Corona infizieren. Erst wenn wir das annehmen und damit umzugehen bereit sind, könnten wir situationsgerecht als Gesellschaft reagieren.

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