Trauer ist ein Gefühl der Verlassenen. Wir versuchen einen Abschied, der endgültig ist. Oft fehlt der Austausch, die gegenseitige letzte Handreichung. Verloren wird ein Mensch und mit ihm alles, was nicht ausgesprochen und geklärt werden konnte mit ihm. Doch wenn die Begleitung das ermöglichte, so ist das ein grosser Segen.
Wir wissen nicht wirklich, wo die vermisste Seele hin gereist ist – aber womöglich hilft uns ein Glaube, der so stark sein kann wie eine Gewissheit. Mit der Zeit kann aus Trauer Traurigkeit werden, wenn die Zeit Distanz zur brutalen Erfahrung der Endgültigkeit schafft und wir uns eingestehen, dass unser eigenes Herz weiter schlägt – und weiter schlagen soll.
Trauer kann auch eine Liebeserklärung sein. Wir halten unser Bewusstsein wach, dass wir geliebt haben – und immer lieben werden, was uns in der Erinnerung verbindet. Trauer ist kein negatives Gefühl. Sie kann ein Segen sein, denn in ihr liegt auch der Anfang eines Loslassens, das wir zulassen müssen, ohne uns wie Verräter zu fühlen. Denn die Reise geht für die Beteiligten auf beiden Seiten weiter. Wir holen nichts zurück, wenn wir festhalten, was nicht mehr da ist. Aber wir können sehen, was wir fühlen, erinnern. Und sollte das blasser werden, so dürfen wir auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass für Sterbende genau dies mit zur Reise gehörte: Dass vieles Unwichtiger wurde, bis es los gelassen werden konnte.
Alles Gottvertrauen, das wir haben können, verbinden wir mit den besten Gedanken für die Seele, die weiter zog. Genau so, wie wir auch weiterziehen werden. Womöglich ist dann die Trauer schneller überwunden als für alle, die zurück bleiben.
Ich denke mit besonderem Kummer an Abschiede in Corona-Zeiten, mit Trennungen und verhinderten letzten Begegnungen, dem Schutz von Leben geschuldet, das genau in dem Moment einen Wertbestand verliert… Von lieben Sterbenden Abschied nehmen können und die Trauer aushalten und überwinden – es ist eine Hilfe für den eigenen Ausblick und die eigenen ungewissen Schritte.