Eine Pandemie ist, wir lernen es allmählich, die Krise einer Gesellschaft, die sich in einer Notlage sieht, die nach schnellen Antworten verlangt, die es nicht geben kann, weil so viel Wissen fehlt und die Ahnungslosigkeit sehr viel grösser ist als jede Gewissheit. Und jene Menschen, die führen müssen und Verantwortung übernehmen wollen, stehen vor der Herausforderung, Klarheit zu suggerieren und Unklarheit zu kaschieren. Offenbart sich dann Unwissen in der Führung, wird das fatale Gegenteil erreicht…
Die Menschen sollen „mitgenommen“, motiviert, diszipliniert werden oder sein und bleiben. Was ihnen zugemutet wird, ist zum Wohle des Ganzen, wobei jegliche Zeit fehlt, sich – als Gesellschaft – klar zu werden, was denn dieses Wohl darstellt? Wir sind im Verbund atemlos, orientierungslos, hilflos, und wenn die Frage einigermassen zuverlässig für eine tragende Mehrheit beantwortbar wird, so folgt die nächste Aufgabe: Und wie erreichen wir dieses Wohl am Besten und wie am Schnellsten? Und wie messen wir es? Mit welcher weiteren unzulänglichen Statistik?
Wir verharren im Gefühl, fremdbestimmt zu sein, Spielball fremder Einflüsse, egal, ob wir Verschwörungen dahinter vermuten oder schlicht verhängnisvoll in einander arbeitende Sachzwänge. Im besten Fall attestieren wir den Behörden guten Willen aber schlechte Resultate – weil der Teil der Realität, den wir erfassen und über den wir informiert werden, immer denjenigen Recht gibt, die es anders gemacht hätten. Es bleiben einfach zu viele schlechte Nachrichten in den Gehirnen kleben.
Wir müssen wohl dahin kommen, dass wir die Demut lernen, die uns sagen lässt: Man weiss es nicht. Oder nicht besser. Noch nicht. Und ich weiss es auch nicht. Was ich aber weiss, und was ich kann, ist, mir deutlich zu machen, wie ich es denn selbst habe mit meiner Verletzlichkeit, mit meiner Angst vor Krankheit und Sterblichkeit oder wirtschaftlicher Not? Wir reagieren in aller Regel auf jene Bedrohung am stärksten, die vermeintlich am nächsten ist. Sie scheint die grösste zu sein. Was ferner droht, kommt später, und so beachten wir das auch später. Die Zerreissprobe liegt genau darin, dass für den Querschnitt unserer Bevölkerung diese grösste Bedrohung eine sehr unterschiedliche ist – auch, weil wir sehr unterschiedliche Möglichkeiten haben, den Herausforderungen zu begegnen.
Dabei haben besser situierte Menschen deutlich höhere Ansprüche an die von den Behörden zu garantierende Sicherheit. Und sie definieren Sicherheit auch – logisch – ganz anders.
Wie also, wenn wir, aus der Erkenntnis heraus, wie viel wir doch tatsächlich nicht wissen, einfach länger und besser zuhörten? Nicht nur den Experten. Sondern den Nächsten. Und jenen, die ganz andere Probleme haben.
Eine Gesellschaft, die Opfer verlangt, geht auch eine Bringschuld ein.
Und ganz sicher wird es uns alle für die Zukunft ganz persönlich krisenresistenter und lebendiger machen, wenn wir es nicht verpassen, uns einzugestehen, wie kalt uns die Pandemie erwischt hat. Als Gemeinschaft. Und persönlich. Als sterbliche Wesen mit einem Wohlstand, der niemals wirklich selbstverständlich ist. Und für den wir wieder vermehrt werden kämpfen müssen – und zusammenstehen. Ich hoffe, das ist möglich.