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13.Februar 2021, 22:45

Der Spieler, das Renditeobjekt

Ljubo Milicevic war Fussballprofi, und am 29. Januar hat er Reto Kirchhofer im Tages-Anzeiger erzählt, warum dieser Abschnitt als ein ganzes Leben hinter ihm liegt. Sein erster Vertrag im Ausland führte den sehr talentierten Australier nach Zürich zum FCZ. Manager Erich Vogel war einer Empfehlung gefolgt und hatte zugegriffen. Obwohl der Spieler verletzt war. Der Anfang einer Irrfahrt.

Es wurde ein Vierjahresvertrag. Grundsätzlich ein Grund zur Freude. Langfristige Verträge bedeuten einen Anflug von Sicherheit weit ab von der Heimat. Eine halbe Million Franken brachte ein externer Investor auf, nicht nur damals ein gängiges Finanzierungsmodell in Clubs ausserhalb der ganz grossen Ligen. In der Zeitung liest man dann immer von Beteiligungs-vereinbarungen bei einem allfälligen Weiterverkauf des Spielers. Der junge Australier ist gerade mal zwanzig Jahre alt, aber vor allem ein Renditeobjekt.

Der Manager bekommt Krach mit dem Trainer und verlässt den FCZ. Milicevic ist weiter verletzt. Wohnt im Hotel. Vermisst die Heimat. Hat keinen Platz in der Garderobe und nicht auf dem Teamfoto. Neun Monate lang interessiert sich niemand für ihn. Dann soll er plötzlich gut genug sein und spielen. Er verweigert sich und wechselt nach Basel. Ausgerechnet. Von dort wird er nach Thun ausgeliehen und nach etwas Anlauf zum Stammspieler. Der FC Thun wird Zweiter der Meisterschaft und qualifiziert sich für die Champions League (heute sind sie zweitklassig). Milicevic ist angekommen, fühlt sich wohl. Doch der Investor setzt ihn unter Druck, anderswo einen höher dotierten Vertrag zu unterschreiben. Ein Mittelsmann taucht auf, schaltet sich ein. Offenbar wird der Spieler wahllos Clubs im In- und Ausland angeboten und dabei sehr viel Geld verlangt. Auch der Mittelsmann will verdienen. Milicevic fühlt sich manipuliert. Und tatsächlich spielt man mit dem an sich guten Typ Spielchen. Aber dieser Typ hat eh einerseits Anlagen zur Depression, aber auch einen starken Charakter, stellt sich hin, sagt seine Meinung, behält seinen Stolz, aber auch seine grosse Verletzlichkeit.

Seine Laufbahn bleibt eine Folge von Abbrüchen, nirgends fasst er wirklich Fuss. Das gelingt erst wieder zuhause, nach der Karriere, im wirklichen, einfachen Leben. Er muss das Spitzensportmodell aus seinem persönlichen Speicher löschen, weil er sich nicht am Erfolg und an materiellen Dingen messen lassen will.

Heute führt Milicevic in Sydney am Bondi Beach eine Kaffeebar. Sitzt auch mal einfach am Strand und spürt den Sand zwischen den Zehen. Sein Paradies ist das einfache Leben, in welchem die dunklen Gedanken sich nicht mehr durch ihn hindurch fressen können.

Er hat Lehrgeld bezahlt. Viele Leben gelebt. Und Frieden geschlossen. Er ist kein Renditeobjekt mehr. Definitiv nicht. Nie mehr.


Tages-Anzeiger, 29. Januar 2021: „Dieses Leben habe ich hinter mir“

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