Archiv für den Monat: Februar 2021

15.Februar 2021, 17:35

Verletzte Seele

Wie Beton können die Mauern sein,
die uns stumm und traurig machen
und unseren Rücken biegen.
Wir müssen geduldig wie Steinmetze arbeiten,
um uns nach und nach zu befreien,
und wir sollten nicht daran verzweifeln,
dass wir scheinbar nur an der Oberfläche kratzen können.

Dass wir zu fragen und forschen beginnen,
dass wir leben und lieben können oder auch nur wollen,
das zeigt uns, dass in uns nichts ist,
das in seiner Traurigkeit nicht überwunden werden könnte.
Nichts muss stärker bleiben
als unsere Fähigkeit zur Liebe –
auch und zuerst unserem eigenen Wesen gegenüber.

Ich bin mir absolut sicher, dass in der Tiefe jedes Menschen die Fähigkeit zur Liebe als grosse Lebenskraft vorhanden ist, die jedes Unglück eines menschlichen Lebens zu überstehen vermag. Liebe wird immer möglich bleiben und nie eine Utopie werden.

Wir können uns von uns abwenden oder uns selbst zuwenden. Tun wir Letzteres, dann gilt:

Wer sühnt, der zürnt,
wer versöhnt, der liebt.
Und zwar im Umgang mit sich selbst noch
VOR jeder anderen Begegnung.

Dann kann die Pilgerreise beginnen:

Uns ist Schmerz zugefügt worden.
Wir haben gelitten,
wir leiden immer noch.
Erst wollten wir vergessen
und konnten es nicht.
Dann half die Zeit
und wir lernten zu verdrängen.
Dann schenkt uns die gleiche Zeit einen neuen Blick,
und damit neue Erwartungen für unser Leben.
Am Ende wollen wir leben mit all unseren Gefühlen,
mit der ganzen eigenen Fähigkeit zur Liebe.
Also kommen gewisse Fragen zurück.
Wir halten sie aus, bis sie wegfallen.
Weil wir neue, andere Erfahrungen wagen,
haben wir neue Wurzeln gebildet,
und irgendwann gelingt es uns,
die alten Narben stehen zu lassen.
Eine Fingerkuppe mag darüber streichen,
und plötzlich stellst du verwundert fest,
dass du noch eine raue Erhöhung spürst,
aber der Schmerz gewichen ist.

Wenn wir so Steine aus unserem Rucksack entfernen können,
wie wandern wir dann leichten Schrittes weiter!


[thinkabout.myblog.de vom 1.11.2004, redigiert]

15.Februar 2021, 17:30

Zufall, so schön

Rauhreif am frühen Morgen. Er liegt wie Schnee auf dem Rasen. Wie beiläufige, flüchtige Saat der Natur.

Dass ich ihn erlebe, bevor er wegschmilzt wie der kalte Atemhauch auf einer beheizten Scheibe im Winter, habe ich dem Zufall eines selten frühen Termins zu verdanken, den ich gestern noch verflucht habe.

Jetzt ist mir diese Begegnung mit Schönheit ein Sinnbild für das kleine Glück, das wir in unserem Gefangensein in Unwichtigem zu oft nicht sehen.

Diese Schönheit lässt sich nicht festhalten. Aber sehen. Entdecken. Das Geschenk tut der Seele so gut wie der einsetzende Tau, der den Rasen tränkt.

Ist es nicht ein wunderbares Ziel, solche Augen-Blicke wo und wann immer möglich in unserer Seele zu speichern und mit zu nehmen in alle neuen Tage unseres gewohnten „alten“ Alltags?

Was wir Zufall nennen, ist der Zufluchtsort der Unwissenheit.

Spinoza

[myblog-Text vom 29. Oktober 2004, redigiert]

13.Februar 2021, 22:45

Der Spieler, das Renditeobjekt

Ljubo Milicevic war Fussballprofi, und am 29. Januar hat er Reto Kirchhofer im Tages-Anzeiger erzählt, warum dieser Abschnitt als ein ganzes Leben hinter ihm liegt. Sein erster Vertrag im Ausland führte den sehr talentierten Australier nach Zürich zum FCZ. Manager Erich Vogel war einer Empfehlung gefolgt und hatte zugegriffen. Obwohl der Spieler verletzt war. Der Anfang einer Irrfahrt.

Es wurde ein Vierjahresvertrag. Grundsätzlich ein Grund zur Freude. Langfristige Verträge bedeuten einen Anflug von Sicherheit weit ab von der Heimat. Eine halbe Million Franken brachte ein externer Investor auf, nicht nur damals ein gängiges Finanzierungsmodell in Clubs ausserhalb der ganz grossen Ligen. In der Zeitung liest man dann immer von Beteiligungs-vereinbarungen bei einem allfälligen Weiterverkauf des Spielers. Der junge Australier ist gerade mal zwanzig Jahre alt, aber vor allem ein Renditeobjekt.

Der Manager bekommt Krach mit dem Trainer und verlässt den FCZ. Milicevic ist weiter verletzt. Wohnt im Hotel. Vermisst die Heimat. Hat keinen Platz in der Garderobe und nicht auf dem Teamfoto. Neun Monate lang interessiert sich niemand für ihn. Dann soll er plötzlich gut genug sein und spielen. Er verweigert sich und wechselt nach Basel. Ausgerechnet. Von dort wird er nach Thun ausgeliehen und nach etwas Anlauf zum Stammspieler. Der FC Thun wird Zweiter der Meisterschaft und qualifiziert sich für die Champions League (heute sind sie zweitklassig). Milicevic ist angekommen, fühlt sich wohl. Doch der Investor setzt ihn unter Druck, anderswo einen höher dotierten Vertrag zu unterschreiben. Ein Mittelsmann taucht auf, schaltet sich ein. Offenbar wird der Spieler wahllos Clubs im In- und Ausland angeboten und dabei sehr viel Geld verlangt. Auch der Mittelsmann will verdienen. Milicevic fühlt sich manipuliert. Und tatsächlich spielt man mit dem an sich guten Typ Spielchen. Aber dieser Typ hat eh einerseits Anlagen zur Depression, aber auch einen starken Charakter, stellt sich hin, sagt seine Meinung, behält seinen Stolz, aber auch seine grosse Verletzlichkeit.

Seine Laufbahn bleibt eine Folge von Abbrüchen, nirgends fasst er wirklich Fuss. Das gelingt erst wieder zuhause, nach der Karriere, im wirklichen, einfachen Leben. Er muss das Spitzensportmodell aus seinem persönlichen Speicher löschen, weil er sich nicht am Erfolg und an materiellen Dingen messen lassen will.

Heute führt Milicevic in Sydney am Bondi Beach eine Kaffeebar. Sitzt auch mal einfach am Strand und spürt den Sand zwischen den Zehen. Sein Paradies ist das einfache Leben, in welchem die dunklen Gedanken sich nicht mehr durch ihn hindurch fressen können.

Er hat Lehrgeld bezahlt. Viele Leben gelebt. Und Frieden geschlossen. Er ist kein Renditeobjekt mehr. Definitiv nicht. Nie mehr.


Tages-Anzeiger, 29. Januar 2021: „Dieses Leben habe ich hinter mir“

13.Februar 2021, 3:00

Die Unsicherheit

credit: iStock/MisterM

Corona ist wohl definitiv eine riesige Herausforderung für uns alle geworden, und jeder Einzelne von uns muss seine eigene Einstellung dazu finden – und damit ist nicht das Verhalten zu den Aufrufen zu einer bestimmten Verhaltensweise gemeint – sondern für uns selbst zu definieren, wie sehr oder wie wenig wir eine Ansteckung fürchten? Es geht um die Frage: Wie halte ich es mit der Unsicherheit?

Politik tritt immer wieder mit dem Anspruch an, Sicherheit garantieren zu wollen, für einen Schutz zu stehen. Damit wurde in der Terrordiskussion argumentiert, und nun ist es genau so. Es ist das Merkmal der heutigen Generationen und die Legitimation für ganz viele Massnahmen. Aber die Sicherheit ist oft nicht so gefährdet, wie erklärt und umgekehrt nicht so eindeutig zu gewähren, wie versprochen wird. Darin liegt nicht die Basis für eine weitere Verschwörungstheorie. Es ist schlicht eine feststellbare Tatsache.

Neue Mutationen, neue Impfungen, Wirksamkeitsgrade, Ansteckungs-gefahr, Übertragungsunsicherheit, Überlastungsszenarien – alles wird bleiben. Und Statistiken werden weiter belegen wollen, dass Massnahmen einerseits notwendig sind und gleichzeitig verhältnismässig. Aber die Zahlen nehmen uns die Entscheidung nicht ab, selbst dann nicht, wenn sie aussagefähig werden. Denn für ganz viele Elemente der Abwägung gibt es sie nicht. Nicht für die Langzeitfolgen für Covid-Patienten, nicht für die wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Folgeschäden der getroffenen Massnahmen. Zu was wollen wir sie denn ins Verhältnis setzen? Was es aber gibt, und entgegen aller Hoffnung bleiben wird, ist die Notwendigkeit unserer ganz persönlichen Einschätzung einer Gefahr und unsere Einstellung dazu: Was bin ich bereit, für meine „Sicherheit“ als Risiko einzugehen? Die Lockerungen müssen kommen, werden kommen, und meine grösste Angst ist, dass sie so spät kommen, dass das Verhältnis zwischen Volk und Regierung tiefe Risse bekommt.

Die Entscheidung wird eine persönliche werden müssen:
Impfen lassen? Und wie mich danach verhalten? Welche Sicherheit bietet sich mir wirklich? Welche Mutationen werden noch folgen? Maske tragen? Wo? In Restaurants gehen, auf Veranstaltungen?

Achtung, das ist keine Verharmlosung, aber eine Analogie: Wir müssen es schaffen, mit Corona so umzugehen wie mit einer Grippeepidemie, denn Corona wird genau so bleiben. Es wird meine persönliche Verantwortung werden, wie ich mich in meinem Alltag verhalte und mit wieviel Angst ich damit umgehe, angesteckt werden zu können. Wenn wir Lockerungen haben, wird es mehr Überlegungen geben müssen, wie das denn mit Grippeviren jeweils ist? Es gibt Wellen, Schwankungen, und Veränderungen in der Ausgestaltung. Womöglich wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass sich die Viren schneller verbreiten als zu Beginn, sie aber gleichzeitig weniger Menschen krank werden lassen – und diese tendenziell weniger schwer. Das ist die Beobachtung bei vielen Grippewellen, und es spricht einiges dafür, dass es hier ähnlich sein wird. Nur: Wir wissen es nicht. Wir müssen einfach einen Umgang damit finden. Und eine positive Sichtweise. Denn was wir jetzt haben, und in zunehmendem Mass, ist eine Unsicherheit, die an sich schon krank macht. Wir brauchen die positive Erfahrung, dass wir mit einander Umgang haben können – und das tatsächlich nicht nur überleben, sondern gerade dadurch gesunden können. Und es einer überwältigenden Vielzahl von Menschen möglich bleibt, für sich zu sorgen – auch wirtschaftlich und sozial. Für die Kranken muss die bestmögliche Hilfe geleistet werden. Und aus tatsächlichen Erfahrungen ableitbar akut Gefähredete müssen geschützt werden. Es wird entsprechend neue Begrifflichkeiten brauchen.

Wir werden schwer daran zu beissen haben, dass uns so viel Respekt eingebläut wurde, dass daraus viel mehr Angst geworden ist, als wir jetzt noch abschätzen können. Psychiatrische Anlaufstellen wissen schon längst sehr viel davon zu berichten, und auch bei uns allen, denen „es gut geht“, ist längst nicht alles gut. Und das wird auch nicht einfach verfliegen, wenn die Viren ihre Kraft einbüssen. Sie sind längst Teil unserer Gesellschaft geworden – in einer Weise, vor der wir uns nicht mit einer Impfung schützen können.

Vielleicht hilft es, wenn wir Corona endlich auch als Lehrmeister begreifen, und nicht der Utopie nachhangen, nach welcher das Ding so schnell wieder verschwinden wird, wie es gekommen ist. Corona hat uns so sehr in die Klauen bekommen, dass es elementar sein wird, daraus zu lernen. Und zwar anders, als wir bisher bereit sind, es zu tun.

10.Februar 2021, 19:00

Herzargument

Hab ich sie endlich gefunden,
die Worte, die, ehrlich empfunden,
dir von meinen Sorgen erzählen,
so dass sie gleich weniger quälen.

Worte, die durch trockne Lippen
schwer aus der vollen Seele kippen,
kommen nun, befreit, ins Fliegen.
Gefühle lassen sich nicht biegen.

Ein volles Herz, das will sich geben
und in der geteilten Liebe leben.
Wirst Du gerufen, hör nur hin,
Off’ne Herzen geben Lebenssinn.

Ansichten suchen Argumente.
Oft sehen wir nur Fragmente.
Gemeinsam Suchen hilft uns weiter,
hält die Seele warm und heiter.

Wir wollen die Probleme überwinden
und einander im Versuchen finden.
Corona kann uns nicht entzweien,
wenn wir uns unsre Angst verzeihen.



09.Februar 2021, 18:00

Worte mit Seele.

Ich schreibe einen Brief. Ich schreibe einen Text. Ich setze meinen Namen darunter. Ich schicke ab oder stelle online. Die Worte gehen auf eine Reise. Sie sind nicht mehr einzufangen. Sie bleiben ein Zeugnis meiner Gedanken. Sie erreichen. Sie berühren. Sie verpuffen. Sie machen still. Sie provozieren Widerstand. Sie bestätigen. Sie geben recht. Vielleicht haben sie unrecht. Wenn sie nur nicht unrecht sind. Sie machen Freude. Hoffentlich. Sie haben vielleicht auch Ansprüche.

Denk mal nach. Thinkabout. Das klingt überheblich. Es bleibt einfach ein Erzählen. Schau: Das denke ich.

Darauf folgen Deine Gedanken. Dein Weg geht weiter. Wie meiner, wie jeder Weg weiter geht bis zu seinem scheinbaren Ende. Wir fehlen. Wir lernen. Wir wachsen. Wir leiden. Wir freuen uns. Wir leben. Wir teilen. Wir gehen den Weg weiter. Manchmal erfahre ich, dass ich berührt habe. Manchmal vertraue ich einfach darauf. Schreiben ist ein einsamer Prozess. Ich ziehe mich in mich selbst zurück und komme mit einem Teil von mir wieder zurück. Ich gebe etwas von mir fort. Ist es verloren? Hilft es? Macht es Sinn? Es wird vielleicht genau so von mir nicht wieder gedacht und empfunden. Ein Tagebuch einer momentanen Erkenntnis oder eines aktuellen Irrtums. Aber mit Seele. Für mich wahr. Und richtig. Dann lege ich die Tastatur zur Seite. Manchmal warte ich auf Bestätigung. Aber es braucht sie nicht. Worte mit Seele waren eben reif, geschrieben zu werden. Als meine Worte. Auf meinem Weg. Heute. Und das, was ihre Seele ist, bleibt bei mir. Darum ist es ein Text von mir. Nicht weil mein Name drunter steht. Ich bin da drin.

Und ich komme zu dir. Und deine Seele liest. Und findet ihre eigene Sprache. Sie ist für dich wichtig. Du liest für deinen Weg und gehst ihn weiter.

08.Februar 2021, 22:05

Liebe. Ewig.

Nicht wenige Schweizer bezeichnen das Lied „Ewigi Liäbi“ der Gruppe Mash als ihr persönliches Schweizer Lieblingslied. Es ist mit Abstand der grösste Hit der Gruppe geblieben und lebendig bis zum heutigen Tag. Und nun bekommt es – hoffentlich – noch eine weitere Gelegenheit, gute Gefühle zu schenken: Denn die Kraft aller Kräfte wird nun auch in Afrikaans besungen.

Texte und insbesondere Lieder mit einer inneren Kraft bleiben immer lebendig. Auch wenn sie nicht mit geballter Marketingpower gepusht werden, finden sie Gehör. Und selbst wenn sie scheinbar verloren irgendwo im Netz vor sich hin schlummern, kann sich diese Kraft plötzlich entfalten. Sie ist ja höchstens untentdeckt, aber niemals tot. Genau so, wie die Liebe an sich niemals stirbt. Diese Kraft ist in uns angelegt. Manchmal wird sie enttäuscht, wir erfahren Verletzungen, doch ohne sie sind wir nichts. In einer Weise nicht vollständig, dass wir verloren bleiben. Wir mögen noch so traurig sein, uns allein fühlen – glauben wir nicht mehr an sie, so bezahlen wir das mit Bitterkeit und werden kraftlos und leer. Aber auch wir sind so ein Lied, können jederzeit erkannt und entdeckt werden, so dass wir merken, dass wir Teilnehmer sein können und sollen dieser grossartigen Erfahrung, einen Menschen in seiner Einzigartigkeit zu sehen und zu entdecken – und, genau so wichtig und bedeutsam – auch selbst so gesehen zu werden. Liebe heisst auch, zu glauben, Liebe selbst zu verdienen und dankbar zu sein dafür, dass zu uns gehalten wird.

Aber ich drifte ab… der Reihe nach…:

Der Sänger Padi Bernhard schreibt das Lied im November 1995 und will es zu einem persönlichen Weihnachtsgeschenk machen. Dafür braucht er einen Pianisten, Gitarristen und ein Tonstudio. Die Musiker steuern, angetan vom Song, ein Piano-Intro und -Outro und ein Gitarrensolo im Mittelteil bei. Es entsteht ein beseeltes Gemeinschaftswerk. Ob es die Adressatin, Bernhards damalige Freundin, so erreicht hat, wie es gedacht war, weiss ich nicht, aber ich hoffe doch sehr.

Als die Gruppe Mash mit Leadsänger Bernhard im Jahr 2000 das Album „mash.nidvobärn“ aufnahm, wurde die Ballade mit ihren einfachen Harmonien und der tragenden Pianobegleitung sowie dem besonderen Gitarrensolo neu eingesungen und eingespielt und gelangte als letztes Lied aufs Album. Weder Radiomoderatoren noch Journalisten sahen in dem Song besonderes Hitpotential. Aber die Hörer verlangten „Ewigi Liäbi“ bei Radiostationen immer wieder zu hören. Es hat nie eine Single mit dem Lied gegeben, aber in den Zeiten der Downloads hat es das Lied auch so 2006 in die Hitparade geschafft, und sich dort anderthalb Jahre lang gehalten, sechs Jahre nach der Aufnahme.

Und nun schreibt die Kraft der Ballade eine neue Geschichte.

Der Ostschweizer Jörg Caluori nennt Südafrika sein zweites Zuhause. Er besitzt ein Haus in Capetown und erlebt im ersten Lockdown, wie extrem schlecht es den Menschen geht. Es gibt, bis auf einen einmaligen Essensgutschein, keinerlei Unterstützung. Während Corona für uns mehrheitlich die Frage stellt, ob die hochentwickelte Apparatemedizin das Leben alter bereits kranker Menschen verlängert, hat unsere Reaktion und der Lockdown als Umgang mit dem Virus für Menschen wie jene in den Townships unmittelbare und direkte, Alle betreffende Nöte zur Folge.

Caluori gibt Geld, er sammelt Geld, zurück in der Schweiz, bei Kollegen und Verwandten. Er gründet die Organisation Camas, um die Hilfe zu strukturieren. Es werden Patenschaften zwischen der Schweiz und Südafrika vermittelt, Hilfe zur Selbsthilfe steht im Vordergrund. Es sollen Menschen in deren eigenen Projekten für den Aufbau einer eigenen Existenz unterstützt werden.

Caluori hört den Song „Ewigi Liäbi“ – wie alle Schweizer nicht zum ersten Mal – und ihm wird bewusst, wie ähnlich die Tonalitäten der Dialekte sind: Schwyzer Dialekt (für einmal nicht berndeutsch…) und Afrikaans klingen ähnlich. Er fragt direkt bei Padi Bernhard nach und der ist begeistert. Also engagiert Caluori die Sängerin Lesinda Staalmester aus Outsdoorn, die in einer Township wohnt. Aus „Ewigi Liäbi“ wird „Ewige Liefde“.

Nun liegt das Ergebnis vor. Beide Songs können am Ende des Beitrags angehört werden. Damit die neue Coverversion – für Viele die Beste, die es je gegeben hat – auch unter die Leute kommt, wird nun mittels Radiostationen und Magazinen in Südafrika Werbung gemacht. Der Song ist auf den Streamingplattformen verfügbar und kann auch online gekauft werden. Die Einnahmen kommen ausschliesslich den Musikern und den Townships zugute.

„Südafrikaner sind sehr romantische Menschen und mögen romantische Lieder“, meinte der Ostschweizer, der früher selbst Musik produziert hatte.

Und es sind Menschen mit einem Herzen, das lieben und geliebt werden will. Wie könnte das irgend jemand nicht sehen. Und fühlen?


Die Originalballade hat auch eine Webseite

06.Februar 2021, 19:30

Die Krake klammert sehr…

Ich habe Ende Januar meinen Facebook-Account und WhatsApp und Instagram gelöscht. Ich will mich also vom Zuckerberg-Imperium abnabeln. Dass ich das als Willenskundgebung formuliere und nicht als vollzogene Trennung rapportiere, zeigt, dass das gar nicht so einfach ist.

Es beginnt damit, dass auf meinem Android-Handy die Apps von Facebook, Whatsapp und Instagram sich nicht wie andere einfach entfernen lassen. Während ich die meisten im App-Store gekauften oder dort geladenen Apps problemlos direkt deinstallieren kann, lassen sich Facebook, Instagram und WhatsApp nur deaktiveren, und zwar nur über die Android-Einstellungen. Es soll dem Anwender so schwer wie möglich fallen, sich wirklich fern zu halten… Ganz besonders entlarvend wird es, wenn Facebook selbst gelöscht werden soll. Als die Firma das neue Facebook-Design anbot, haben wohl die meisten auch darauf gewechselt. Denn neuer ist ja meistens auch besser, will sagen, moderner, vielfältiger, schöner. Hier sind wohl die meisten Menschen gleich. Was mit der Übernahme des neuen Designs aber einher ging, waren veränderte Nutzungsbestimmungen, oder besser gesagt, nochmals erschwerte Ausstiegsbedingungen.

Denn aktuell ist es so, dass du, wenn du Facebook löschst, dein Account einen Monat lang bestehen bleibt (beim alten Design waren es „nur“ 14 Tage). Dein Account wird nur deaktiviert, damit du auf deinen Entscheid problemlos zurück kommen kannst. Eine einzige neue Anmeldung in dieser Zeit, unter Umständen unbedacht durch die Cookie-Einstellungen im Browser ausgelöst, reicht aus, damit du wieder normales Facebook-Mitglied bist. Machst du das nicht, und verstreicht der Monat, so bist du dennoch noch nicht am Ziel: Bis deine Daten wirklich gelöscht sind oder nicht mehr weiter verwendet werden, kann es, wie Facebook ausdrücklich erklärt, nochmals drei Monate gehen.

Deine Daten werden eben an unzählige Firmen weiter verkauft, und denen wird man für eine ausreichende Zeit eben auch die Erhaltung des Stocks vom Anfang des Kaufs garantieren wollen (oder müssen). Angesichts der Tatsache, dass ich keine Kontrolle darüber habe, ob und wie die Daten danach im Zuckerberg-Imperium und bei dessen Kunden tatsächlich tabu sind, ist das alles noch viel unsäglicher.

Facebook setzt dem Allem die Bequemlichkeit der Nutzer entgegen, die möglichst umfassend genutzt wird: Je einfacher die Kommunikation mit Freunden, Verwandten, Kollegen und Berufsgruppen möglich ist, um so träger wird die Aufmerksamkeit für den Datenfluss, den wir dabei generieren und für die gläserne Transparenz, die wir über uns schaffen.

Facebooks Ziel wird es sein, die Messenger von Whatsapp, Instagram und Facebook so zu verknüpfen, dass die User sich direkt Nachrichten senden können – also auch von Whatsapp an ein Instagram-Account etc. Die Daten bündeln sich dann ganz automatisch ganzheitlich direkt im Facebook-Konzern. Ein sagenhaftes Geschäft. Schon heute verdient Facebook nach mehreren Schätzungen an jedem Account monatlich mehr als 40 Euro. Der User, der in seiner Bequemlichkeit immer weiter zum Klickvieh wird, ist nicht Kunde, sondern das Produkt.

Und wie attraktiv ist es schon heute, zum Beispiel für Krankenkassen, über ihre Kunden oder jene, die Kunden werden möchten, besser Bescheid zu wissen, als die Interessenten selbst auch nur ahnen können…


Facebook komplett löschen: Anleitung bei heise.de

04.Februar 2021, 22:30

Oh Gott, wir Menschen

Als der Mensch genetisch entschlüsselt war, wurde er immer lauter: Dieser Ausspruch, dass die Menschheit Gott nun nicht mehr brauchen würde. Was erklärbar wird, ist nicht länger ein Wunder. Und nur das Unerklärbare lässt die Vermutung göttlicher Mächte zu?

Die Wissbegier des Menschen ist unersättlich, und seine Fähigkeit, Geheimnisse zu entschlüsseln, wirklich erstaunlich. Das lässt die Menschheit hoffen, der Mensch selbst würde die Lösungen für alle Bedrohungen durch sein Wissen finden. Nur, welche Motivation hat der Mensch, sein Wissen anzuwenden? Und in welche Richtung forscht er?

Uns allen ist ein Überlebensdrang eigen. Arme Menschen wollen überleben. Vermögende Menschen können gut leben und sind im besten Fall dankbar dafür. Reiche Menschen haben Überfluss und gehen unterschiedlich damit um. Die Sachzwänge der Macht, aber auch die Faszination der Macht ist allgegenwärtig, und damit der Wunsch, Menschen und ihre Verhalten vorhersehen oder steuern zu können. Denn das verspricht reichen Ertrag. Und darauf ist der Mensch auch ausgerichtet. Kaum eine Errungenschaft, welche die Menschheit erreicht hat, ist nur für friedliche Zwecke genutzt worden. Und Entwicklungen, die uns begeistern, erfahren dann unsere Anwendung und Verwendung, und wir wissen wohl alle, dass wir mit diesen Möglichkeiten sehr unterschiedlich umgehen – und aus vermeintlichem Segen auch eine Crux werden kann. Was Geld und Macht verspricht, wird getan. Keine menschliche Ethik, die eine Berufsgruppe oder Gesellschaft festlegt, kann darauf bauen, Bestand zu haben. Das Machbare wird gemacht.

Ich habe nie verstanden, wie man aus der Entdeckung, wie etwas konstruiert, gebaut ist und warum, ableiten kann, es gäbe das darin liegende Wunder nicht mehr. Mindestens muss daraus doch ein Staunen folgen – und ein Blick dafür, dass sich auch die neue Entdeckung mit ganz vielen weiteren Phänomen vernetzt – und wir genau das zu erforschen nie auch nur im Ansatz fertig sein werden. Wie schlecht der Mensch fähig ist, einigermassen vernetzt zu denken und Wechsel- und Folgewirkungen von Eingriffen zu bedenken, zeigt sich ihm immer wieder, wenn er es denn sehen will. Aber oft sind wir blind, weil wir nur schon in Zeitbegriffen denken, welche für die Erde einfach lächerlich sind. Wir können die Folgen für die Umwelt nicht mal für die nächste Generation wirklich erfassen und stehen immer wieder vor der Frage, weshalb ein Phänomen plötzlich auftritt? Zu glauben, Master Of The Universe zu sein oder zu werden, ist ketzerisch und eine Überheblichkeit, vor der wir uns Alle fürchten sollten. Denn unsere Anmassung liegt auch darin, dass wir glauben, die Welt würde immer unser Konsumtempel bleiben. Keine unserer Massnahmen zum Schutz des Klimas zielt darauf ab, weniger zu haben, zu brauchen, zu konsumieren. Wir sollen es nur anders machen. Und damit weiter Wachstum generieren – und andere Ressourcen aufbrauchen.

Der Mensch hat vielleicht einen Sinn dafür, das Geschenk seiner Erde zu erkennen. Aber er hat nicht die spirituelle Tiefe noch die irdische Verbundenheit, sich als Bewahrer dieser Erde zu begreifen und entsprechende Kompromisse in seinem Konsum zu machen – und in seinen Erwartungen. Gott ist nicht tot. Wir ignorieren ihn nur. Wir kommen ohne ihn aus. Es kommt einmal ein Tag, an welchem Gott beschlossen hat, uns nicht mehr zu brauchen. So glaube und empfinde ich seine Präsenz. Wir müssen nicht an ihn glauben – aber wenn wir denn schon denken, ohne ihn klar zu kommen, dann sollten wir das Staunen über die Schöpfung nicht verlieren – und uns immer wieder bewusst sein, dass wir zwar grandiose Anstrengungen unternehmen können, die Richtung aber stets auch das Resultat der Unwissenheit ist. Wir sollten uns selbst auf die Finger schauen. Immer wieder. Und dabei schadet es keineswegs, die göttliche Idee in unserer Erschaffung zu suchen (warum sind wir wirklich hier?). Ob wir dann so leben würden, wie wir es tun, mit Einschluss aller Errungenschaften, die wir erreicht haben? Ich glaube es nicht. Gott ist nicht gestorben, nur weil wir ihn vergessen. Stattdessen könnten wir so Mensch werden, wie wir wohl wirklich gedacht sein dürften. Und dabei erfahren, wie viel Liebe in uns ist, die den richtigen Weg weist. Für den Nächsten, für die Erde, die Welt, unseren Umgang mit jeder Art von Gefahr. Wenn wir das Bewusstsein unserer Endlichkeit zum Prinzip unseres Lebens machen, bekommt das Machbare eine andere Bedeutung, die keine vergängliche Macht sucht. Dann wird auch die Ohnmacht nicht bleiben, wenn wir vor riesigen Problemen stehen – oder einem Ende. Wer weiss schon, was wirklich endgültig ist.

Den unsäglichen Sprüchen über den Tod von Gott oder seinen verlorenen Zweck stelle ich die Frage entgegen:

Was, glaubst du, bedeutet es für uns, für dich, wenn Gott einfach viel mehr Zeit hat als jeder von uns?

01.Februar 2021, 18:15

10min schreiben über: Wertschätzung

Es gibt Schlagworte in unserer aktuellen Zeit, welche deswegen, weil sie oft in den Mund genommen werden, nicht weniger wichtig sind. Achtsamkeit ist so ein Wort, aber auch Wertschätzung. Dabei denke ich spontan nicht nur daran, dass es unheimlich wichtig und segensreich ist, den Wert eines Menschen überhaupt zu erkennen – es geht auch darum, ihn das wissen zu lassen.

Wir haben so viele negative Nachrichten zu verarbeiten, alle unsere Aufmerksamkeit für Information ist auf Empörung, Aufregung, Aufschreckung ausgerichtet. Wie gut tut es da, zu erfahren, dass ich selber etwas gut gemacht habe, ja, einen tatsächlichen Wert für einen Mitmenschen habe? Und wie schön ist es, jemanden wertzuschätzen, es ihm zu sagen und zu sehen, wie es ihn lächeln lässt? Dabei berührt mich immer wieder auch, zu sehen, dass es uns gar nicht so leicht fällt, ein Lob anzunehmen. „Warum sagt sie oder er das? Ja, ja, schon gut.“ Nein. Es ist wirklich gut, was wir für andere sein können, tun können, empfinden können.

Chefs alter Schule führten oft nach dem Grundsatz, ja nicht zuviel zu loben. Oder gar zu belohnen. Gibt man ihnen den kleinen Finger, so nehmen sie die ganze Hand, heisst es. Als würden sie die Macht der guten Tag nicht kennen… Am Anfang jeder Wertschätzung steht auch die Tatsache, dass, was immer wir bekommen, nicht selbstverständlich ist. Jemand schenkt mir seine Zeit. Ein kleiner Dank kann gar nicht so kurz sein, dass er nicht erkennen liesse, dass wir bemerkt haben, dass wir etwas geschenkt bekommen haben.

Wertschätzung ist auch die sich selbst geschenkte Einsicht, dass wir alle Anerkennung brauchen, und wenn wir tatsächlich frei davon sind, so können wir uns darüber freuen, direkt mitgeteilt zu bekommen, dass wir augenscheinlich etwas Gutes bewirken.