Wir wollen zurück zur Normalität. Wir schreien es raus. Wir wollen ausgehen, Kaffee trinken, raus aus dem Home Office, ins Freibad, ins Theater, wir wollen reisen, Konzerte besuchen. Nun bekommen wir vom Bundesrat Perspektive, und fühlen uns gut dabei. Wir verändern dabei gerade weiter unsere Welt. Und die Gemeinschaft. Oder entlarven wir nur, was uns eh schon egal ist?
Wie vermutet, sind die Einschränkungen, welche für Nichtgeimpfte gelten werden, in Kauf zu nehmen. Die Gesellschaft hat längst darüber geurteilt, was für jeden Einzelnen tragbar sein muss, will er sich frei bewegen. Dabei spielt keine Rolle, dass die meisten Menschen, die sich haben impfen lassen, gar nicht wissen, vor was sie sich damit gar nicht schützen können. Sie können nach wie vor infiziert werden, die Krankheit auch übertragen, aber sie haben so was wie eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlich-keit, dass sie selbst keinen schweren Verlauf nach einer Ansteckung mehr haben werden. Was wir alle nicht kennen, ist die Restwahrscheinlichkeit, dass durch das Impfen selbst Langzeitfolgen auftreten können – oder zumindest nicht auszuschliessen sind. Einfach durch den Scheiss hindurch, wird schon gut gehen, und rundum hört man schliesslich auch nichts Schlechtes. Je nach Jobprofil kannst du gar nicht anders, schliesslich musst du ins Flugzeug steigen können. Und jetzt höre ich auf, denn ich will den Prozess gar nicht stören. Denn das gelingt mir sowieso nicht. Die Welt ist so, dass sie sich von einem Virus hat in die Knie zwingen lassen, das mit mehr drohte als nur mit einem Schnupfen. Und ja: Für Einige hat es leider viel mehr bedeutet.
Und auch ein ganz grosses ABER: Für Viele bedeutet es auch mehr. Oder weniger. Etwas weniger ausgehen oder nicht fliegen können ist ein Klax gegen schulische Benachteiligungen, ständige Überforderung in der Pflege, verlorene Jobs, zerstörte Existenzen, angehäufte Schulden, aufgebrauchte Ersparnisse, häusliche Gewalt, psychische Schäden. Doch eigentlich macht mich nichts so traurig wie der Gedanke an jene Menschen, von denen mir erzählt wurde. Menschen, welche wir in ihren Zimmern einsperrten. Sie mussten sich gar nicht das Leben nehmen. Sie beschlossen einfach, dass „es“ das nicht mehr wert ist. Diese Einsamkeit. Der Tod war eine Erlösung von allen Verstörungen und aller aufgetretenen Wirrniss, die nicht mehr einzuordnen war, für die es keine positiven Antworten gab und gibt – nicht für Menschen, die längst gelernt haben, den Tod zu akzeptieren – jetzt lieber früher als später.
Vorsicht, Sarkasmus: Wenigstens sind diese Menschen nicht in voll isolierten, plastifizierten Räumen gestorben. Hoffentlich. Aber meistens, fast immer, allein. Eine Schande ist das. Ein Versagen. Und ich frage wie am ersten Tag: Ist das alles das wert? Und welches Leid sehen wir? Wehe uns, wenn wir zu einer Gruppe gehören, für die es keine Statistik gibt. Denn dann gelingt es ganz sicher nicht, die Normalität, die gerade gilt, zu stören. Der Aufreger fehlt.