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28.Mai 2021, 14:50

Die Nacht als Tageszeit

Ich weiss gar nicht mehr, wann das angefangen hat, dass ich die Nacht gerne zu einem Teil meines Tages gemacht habe. Es hat mir schon als Student entsprochen und ist bis heute so:

WACHE NACHT

Ich liebe die Nacht,
die mich empfängt
mit Stille und Geschichten.
Ich sitze da und denke
ganz anders als am Tag,
wenn helle Lichter blenden.

Ich lief ganz jung schon
nachts durch dunkle Strassen,
den spiegelglatt glänzenden Asphalt
regennass unter meinen Füssen:
Zuflucht für bedrängte Herzen,
Wanderpfad für meine Seele.

Nicht Bedrohung fühle ich,
nicht Angst, nicht Ruhelosigkeit.
Es bescheint ein fahlgelber Mond
meine springenden Gedanken,
bis mich schläfrige Sanftmut
in eine neue Ruhe entführt.

thinkabout.myblog.de am 12.11.04, heute bearbeitet

In der Nacht bin ich unter Menschen allein. Ich weiss sie schlafend, arbeitend, unter der Decke, in den Freuden oder Sorgen wegen morgen. Das ein Morgen ist. An dem die Sonne wieder aufgeht. Ganz sicher. Was für ein Wunder, jeden Tag. Ich bin in diesen Stunden allein – aber bin ich es wirklich? Und mehr als am Tag, wenn ich unter ebenfalls wachen Menschen bin? Wir kommen allein und wir gehen allein. Der erste und der letzte Teil des Weges kann nicht geteilt werden. Und die Entwicklungsschritte, die wir gehen, sind auch die unseren. Wir können sie nicht abgeben. Niemand geht den Weg für uns und niemand geht genau den gleichen. Aber ich trete aus der Nacht und dem folgenden Schlaf heraus in einen Tag, der Begegnungen bereit hält. In denen ich wahrhaftig sein kann, wenn ich in mir selber wohne in einer Weise, die auch und gerade in der Nacht der Unsicherheit standhält, Angst aushält und überwindet. Viele Briefe, die ich schreibe, schreibe ich nachts. Wenn ich bei mir bin. Und etwas davon zu jemandem tragen will. Einen Gruss. Einen Gedanken. Das Gefühl, das ich habe, wenn ich den Mond betrachte, und wieder mal sehe, welch unfassbare Kraft er besitzt. Er blendet nicht. Aber er scheint. Leuchtet. Geht seinen Weg und vergisst dabei die Erde nie. Wenn ich ihn am Himmel suche und finde, ist alles gut.

4 Gedanken zu „Die Nacht als Tageszeit

  1. Relax-Senf

    Wie alles was aus der Sicht Dritter von der Norm – der Dritten – abweicht, wie ein andersartiger Biorhythmus, löst rasch Verwunderung und Argwohn aus! Da habe ich in Laufe der Zeit auch schon mal meinem Umfeld versichert, wenn es mir wichtig war (was mich im Umgang mit der Gesellschaft nicht ständig beeinflusst!), dass zwischen mir und meiner Frau alles i. O. ist.
    Jetzt bin ich ja leider Witwer geworden und bin immer noch nachts im Internet unterwegs und nein, die sich bei vielen Leuten aufdrängende Annahme, dass dies wohl mit dem Besuch von Schweine-Igel-Seiten zu tun haben muss, triff nicht zu. Musste weder früher einer Kontrolle entkommen und als Witwer ist die Vorsicht vor einer möglichen Partner-Aufsicht-Kontrolle vollständig obsolet. Es ist ganz einfach. Die Nacht ist für mich eine produktive Zeit und diese seit Jahrzehnten gültige Aussage, hat keinen Deut geändert, seit ich allein in meinem Wohnparadies lebe. Ich wurde nicht plötzlich zum Tag-Menschen.

    Ich befinde es befreiend in der Nacht nicht gestört zu werden. Keine Anrufe, kein Klingeln an der Wohnungstüre, keine Störung durch Personen die rasch mal Auskunft-Unterstützung-Hilfe-Smalltalk- anbieten-News-überbringen wollen. Die Hintergrundgeräusche die es bei mir meistens gibt – Radio-Fernsehen-Musik – verschwinden je nach Konzentrationsstufe im körpereigenen Ohren-Filter-Vorgang und wenn das nicht reicht schalte ich die Geräuschquelle einfach ab!

    Nachts, ohne den Druck und den Zielzeit-Schrecken der Erledigungs-Guillotine, ist es viel angenehmer sich mit komplexen Fragestellungen auseinanderzusetzen oder einfach Brain-Storming-Aktivitäten nachzuhängen. Nach dem Aufstehen sind diese Dinge deshalb nicht so stressfrei anzupacken, weil ja bereits wieder die neusten Tagesprobleme den Denkapparat vollständig beanspruchen.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Das mit dem Erklären habe ich gar nie angefangen. Wo und wie auch immer man es anpackt, in der heutigen Zeit mit all dem Multi-Tasking ist genau das die Challenge: Sich in einer Ruhe einfinden, in welcher die Gedanken wirklich fliessen können.

      Antworten

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