Es sind nervöse Zeiten. Doch es ist mir gelungen, mich zurück zu nehmen. Ich habe verstanden, dass die Unruhe nur Raum bekommt, wenn ich mich ihr ausgeliefert fühle. Statt die Welt zu verändern, versuche ich nun, bei mir selbst zu bleiben. Ich begreife die Unruhe, die an mich heran getragen wird, als Chance. Und ich verstehe sie auch besser, denn sie hat einen Treiber, der quält: Eine diffuse Angst treibt die Menschen um, nicht an. So viele Menschen hatten Angst vor Terroranschlägen. Nun haben sie Angst vor Corona. Menschen scheinen Sicherheit zu wollen, nicht Freiheit.
Wir wollen uns sicher fühlen, die Gefahr weg haben. Wir fahren täglich Auto, ohne Angst vor einem Unfall zu haben. Und manchmal wird uns bewusst, wie wunderbar unsere Mobilität ist. Wenn wir sie geniessen, ist das eine bewusste Wertschätzung unserer Freiheit. Wenn uns nun jemand sagt, dass wir jedes Mal, wenn wir uns in den Verkehr begeben, wir unser Leben riskieren, so zucken wir mit den Schultern. Die Gefahr ist es wert, die eigene Erfahrung ist gut. Für die meisten von uns. Ich bin sicher, Viele von Euch kennen jemanden, der das Motorradfahren nach einem schweren, aber gut ausgegangenen Sturz aufgegeben hat. Oder das Rauchen, weil der Husten doch nicht sein muss, oder der Geruch in den Kleidern. Was weiss ich. Die Argumente sind immer persönlich – und dürfen es bei diesen Themen noch sein.
Ich lebe in einer behüteten Welt, der besten, die je eine Generation auf unserem Kontinent erlebt hat, aber es ist, als wäre unser Glück für uns zuviel. Die Sicherheit, die wir suchen, nimmt uns einen Teil dieses Glücks. Sie soll das Glück festhalten, aber Glück lässt sich nicht garantieren. Je unfreier wir werden, um so schwerer ist es für das Glück, uns zu beschenken. Und Angst macht Glück unmöglich.
Wenn wir krank werden, sind wir mit der Flüchtigkeit des Glücks konfrontiert und müssen uns mit Bedrohung auseinandersetzen, oder zumindest mit Mühsal und Schmerzen. Doch sehr oft gelingt es, gerade dann Gelassenheit zu lernen und ein Gespür dafür zu bekommen, dass alles bewältigt werden kann, wenn sich unsere eigene innere Ruhe finden lässt. Ich glaube, dass wir sie alle in uns tragen und sie einen grossen Schatz darstellt – den grössten, den wir überhaupt haben. Diese Ruhe erzählt davon, dass ein jeder Weg, den wir gehen müssen, Schicksal ist – doch ich brauche dafür lieber das Wort Geschick. Mein Fährtenlenker schickt mich auf einen Weg, der mir bestimmt ist, von dem er aber auch weiss, dass ich ihn gehen kann. Erkennen ist dabei jeden Tag möglich. Lernen. Begreifen. Demut. Freude an Geschenktem. Das scheinbar Selbstverständliche wird Besonders, das Unverständliche kann stehen bleiben. Es wird sich alles zeigen, was ich brauche, was ich kann. Und was ich muss, werde ich schaffen, ohne dass ich sicher sein kann, dass ich dabei nicht auch ganz viel Angst werde überwinden müssen. Für mich. Ganz persönlich. Helfen werden mir Menschen, die ich begleiten durfte, die mir entsprechende Haltung vorgelebt haben, mit dem besonderen Lächeln, das Wahrhaftigkeit in seinen Zügen trägt. Und Menschen, welche mir diese Begleitung schenken. Wir Menschen können ganz bewusst Ja sagen zu unserem Dasein – und auch zu seiner Gefährdung.
Mein Leben ist gewollt, mein Sterben wird es auch sein. Und Beides ist gut so, wie es ist und sein wird.
Dass wir Menschen heute ohne Jenseitsvorstellung leben, mag manchen als persönliche Befreiung von religiösem Firlefanz gelten – der Umgang mit dem eigenen Ende bleibt eine Aufgabe, die deswegen nicht kleiner und weniger lohnend geworden ist.
Und wenn wir um das Ende von Corona ringen oder das, was wir dafür halten, und wenn wir darum streiten, wer was wie mitmachen soll und muss, sind alle diese persönlichen Fragen auch mit dabei – doch bitte irgendwann. Nicht jetzt. Noch lange nicht. Dabei machen sie, wenn wir sie zulassen, jeden Tag lebendiger und den Umgang mit uns Allen verständnisvoller.