Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

12.Oktober 2021, 1:30

Wir verlieren uns

Der Bundesrat und der Mainstream der Politik kämpft um eine Verbesserung der Impfquote. Und ich bin überzeugt, jeder zusätzliche Pieks wird als Erfolg gefeiert.
Es gibt für ganz viele Menschen und Unternehmen ganz viele gute Gründe für die Impfung. Und ein jeder Mensch soll das für sich entscheiden können. Doch so weit sind wir schon lange nicht mehr, nicht wahr?

Wir müssen gar nicht mehr darüber diskutieren, ob es einen Impfzwang gibt oder nicht. Entscheidend für den bröckelnden Zusammenhalt der Gesellschaft ist, dass dieser Zwang subjektiv als solcher empfunden wird. Was wir also als Erfolg verbuchen, bei den Prozenten, die wir jetzt noch zulegen in der Impfstatistik, ist nicht wirklich einer. Wir handeln uns mit dieser ganzen Übung einen viel zu hohen Anteil von Bürgern ein, die sich mehr als nur ein bisschen gegängelt fühlen. Sie gehen verloren. Und das Problem sind nicht jene, die laut protestieren – sondern die stillen, die sich scheinbar schicken. Aber die Erfahrung, plötzlich am Rand gestanden und auch so beurteilt worden zu sein, die bleibt. So manche, die sich jetzt umstimmen lassen, behalten bei sich ein stilles Kopfschütteln – mit der Feststellung, dass man selbst nie für möglich gehalten hätte, dass das geschieht: Meine eigene Gruppe hat kein Problem, über meine körperliche Integrität zu befinden. Menschen, die sich immer als Teil einer Gemeinschaft verstanden haben, sehen sich plötzlich an den Rand gedrängt und zu einem Schritt genötigt, den sie eigentlich nicht gehen möchten. Wenn sie ihn dann doch gehen, bedeutet das nicht, dass sie „verstanden haben“. Oft bleibt etwas zurück. Es entsteht eine Distanz, eine Entfremdung. Das erfahrene Unbehagen sitzt tiefer als der Pieks selbst je eindringen mag.

Und immer wieder die Frage, wie selbstverständlich sich alle über die nicht wirklich beantwortbaren Fragen hinweg setzen können – aber auch das gelingt, natürlich, in der Gruppe ganz leicht. Es gelingt uns immer ganz leicht, wenn wir uns auf der richtigen Seite wähnen, wie auch immer wir uns das zu garantieren glauben. Die Bestätigung ist ja da. Auf Schritt und Tritt.

Wir werden das Virus meistern. Mit ihm leben lernen. Irgendwann. Und ganz schnell werden ganz Viele von uns weiter leben wie zuvor. Denn das ist das, was alle wollen. Aber für ganz Viele von uns wird es nicht mehr das Gleiche sein wie zuvor. Die Solidarität, so wie sie jetzt eingefordert wird, ist für sie nicht wirklich eine. Sie sind nicht gehört und nicht verstanden worden. Es gab eigentlich noch nicht mal den Versuch dazu. Auf jeden Fall viel zu selten.

Die Lebensqualität einer demokratischen Gesellschaft misst sich daran, wie die Mehrheit mit der Minderheit umgeht. So gesehen sind wir gerade dabei, die grösste uns bisher auferlegte Prüfung maximal zu versauen. Die Regierung ist die Exekutive. Wie passend ist diese Bezeichnung!

4 Gedanken zu „Wir verlieren uns

  1. Claudia

    Was meinst du mit

    „Und immer wieder die Frage, wie selbstverständlich sich alle über die nicht wirklich beantwortbaren Fragen hinweg setzen können – aber auch das gelingt, natürlich, in der Gruppe ganz leicht. “ Welche Fragen?

    Gestern zappte ich auf Youtube versehentlich in ein Interview des „Welt im Wandel TV“. Da wurde einer interviewt, der behauptete, „Dinge zu wissen“ -. einfach so, er wisse selbst nicht, woher. Und er verzapfte den ganzen kranken Unsinn, den ich noch nie aus einer originalen „Schwurbler-Quelle“ gehört hatte, sondern nur vom Hörensagen / Gelesenem kannte: Die Impfkampagne sei von den Reptiloiden von langer Hand geplant und wird sich in vielen Impfungen fortsetzen, wodurch alle zu Zombies gemacht werden, die meisten (->Mainstream) sind es schon! Kennzeichen: Maske vor dem Gesicht….
    Die Interviewerin hing an seinen Lippen und lobhudelte sein „Wissen“ als erhellende Aufklärung… mir wurde richtig schlecht, nach 5 Minuten musste ich abbrechen!

    Ich weiß nicht, wie viele es sind, die solches Zeugs wirklich glauben. Aber sicher bestimmt es das Bild mit, das viele von Impfgegnern haben. Dieses wirre, extrem abseitige Weltbild ist schwer zu verkraften – und man müsste wohl ein Heiliger sein, um hier noch gerne und solidarisch deren Tests für den Restaurantbesuch mit Steuergeldern bezahlt haben zu wollen.

    Natürlich weiß ich, dass diese Leute eine Minderheit in der Minderheit sind. Aber alles hat halt Folgen, es verfestigen sich Vorstellungen vom „Impfgegner“, die statistisch nicht zu untermauern sind. Aber darauf kommts in unserer medial überfütterten, schnelllebigen Zeit, in der viele nur Überschriften und Kurzmeldungen lesen, leider nicht mehr so an.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Wer mich in die Ecke solcher Impfgegner stellen mag, soll es tun. Bitter finde ich, dass die Impfkampagne fortlaufend dem Argument der Schwurbler, bei der Impfung handle es sich um eine unehrliche Kampagne, selber immer mehr recht gibt, , indem sie ihnen nach und nach Bestätigungen liefert für eine Impfdoktrin, die erst die Vulnerablen meinte, dann die 60plus, dann die Erwachsenen, dann die Teenager, dann die Zwölfjährigen – und enden wird es bei den Kleinkindern. Dazu passen dann auch die begleitenden Regelungen für Ungeimpfte – die am Schluss wohl auch nicht mehr öV fahren oder arbeiten gehen oder einkaufen können.
      Und, mit Verlaub, die Impfdoktrin will den Impfzwang, weil diagnostizierte Unvernunft beim blöden Rest jedes Mittel legitimiert. Und was die Mehrheit in unserem Gesellschaftssystem gerade mit der Minderheit veranstaltet, wird nicht mehr zu kitten sein. Und damit meine ich nicht die von Dir hier skizzierten paar Prozent, sondern jene, die den Anspruch haben, dass persönliche Argumente und Bedenken zählen müssen, wenn es um so persönliche Entscheidungen rund um und im eigenen Körper geht.
      Womit ich Deine Frage beantworten möchte, die Du einleitend gestellt hast. Meine Formulierung ist wohl tatsächlich etwas schwurbelig…
      Mit den nicht beantwortbaren Fragen, über die sich die vernünftige Mehrheit hinwegsetzt, sind alle Fragen rund um mögliche Langzeitwirkungen gemeint. Kein Wissenschaftler kann mehr als eine Wahrscheinlichkeit dafür benennen, dass es sie nicht geben wird. Garantieren kann er es nicht. Der Allgemeinheit nicht und schon gar nicht dem Einzelnen. Denn auch für das einzelne Schicksal eines von Nebenwirkungen betroffenen Geimpften gilt: Hat er oder sie Handicaps kurz oder lang nach einer Impfung, ist der nicht beweisbare Kausalzusammenhang zur Impfung kein Beweis für das Gegenteil. Dazu kommen tatsächliche heftige gesundheitliche Konsequenzen, deren Kausalität nicht bestritten wird.
      Die Impfung ist keine Bagatelle. Und diese Sichtweise ist zu respektieren.
      Und die Forschung über die Impfdurchbrüche und ihre Ursachen und Folgen hat eben erst gerade begonnen.

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  2. Uwe

    Ja, lieber Kurt, wir verlieren uns. Wie schon oft in der Geschichte, zerfällt die Gesellschaft, manchmal auch die Gemeinschaft und sogar die Freundschaft, in Gläubige und Ungläubige. Nur sind die Experten, denen es zu glauben gilt, diesmal keine Pfaffen.

    Es ist interessant mitzuerleben, wie intolerant die vermeintlich Toleranten werden können, wenn man ihnen ein wenig Angst einjagt. 😉

    Wenn Du weiter mit den Gläubigen im selben Boot sitzen willst, dann musst Du zwar nicht selbst glauben aber Du musst Dir das Zeichen der Kooperation anheften und den Impfausweis vorzeigen.

    Ich werd’s nicht tun.

    Alles Gute, mein Lieber! Schön, dass Du wieder öfter schreibst.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Lieber Uwe
      Ja, ich habe in den letzten Monaten oft an Menschen gedacht, die ich in exakt diesem Sinn verloren habe. Und natürlich frage ich mich oft, wie das geschehen konnte. Gleichzeitig muss ich es einfach akzeptieren, und ich versuche, zu verstehen, was so sehr umtreibt. Du sprichst von der Angst, und ich glaube, dass die Empörung über jene, die sich falsch verhalten, die Angst überlagert. Es ist leichter, einen „Gegner“ zu stellen, als sich selbst mit dem Grund der eigenen Angst beschäftigen zu müssen.
      Ja, ich schreibe wieder ein wenig öfter, aber viel zu eindimensional, und das beherrschende Thema würgt mehr Kreativität ab als dass es sie fördern würde…

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