Archiv für den Monat: Dezember 2021

21.Dezember 2021, 20:45

Worte und ihre (Ohn-)Macht

Hoffentlich kein Geplapper über Geplaudertes. Aber es liegt in der Natur des Schreibens, dass du dir immer wieder Gedanken machst über den Prozess und seine Wirkungen auf dich selbst und auf andere:

VOM SCHWEIGEN
Khalil Gibran

Obwohl die Stürme der Worte
uns unablässig überschwemmen,
in den Tiefen unseres Ichs
herrscht das Schweigen auf immer.

***

WIEVIEL WIR REDEN

Nur ja die Stille verhindern,
die wir nur als quälende Pause kennen,
als peinlichen Unterbruch
zwischen zwei Konversationsfetzen.
Ruhe ist fremd.
Stille eine Bedrohung.
Dabei reden wir doch gerade,
um unsere Unruhe los zu werden.

Hinweg mit dem Gebrabbel und Geplapper,
mit dem ich meine Zeit verschwende.

Still werden vor mir selbst und
in der scheinbaren Leere meiner Seele
die Tiefe erkennen,
die Weisheit und Wahrheit kennt

Thinkabout


thinkabout.myblog.de am 14.11.2004 – heute redigiert

WORTE UND IHRE OHNMACHT

Wenn du schreibst, bist Du gerade mit Dir allein und es Dir auch bewusst. Wer dich liest, nimmt sich einen Moment Zeit für sich selbst – und für dich? Was erfährst du davon? Was machen die Worte, die du formuliert hast? Wo bleiben sie? Wen erreichst du damit? Sie verlassen deinen Mund oder deine Tastatur und ziehen weiter. Sie lassen dich zurück und du sie. Ein Zeugnis des Moments, die Aufzeichnung eines Gedankens, eines Gefühls. Gibt es Sätze, die noch nie gesagt oder geschrieben wurden? Kaum. Aber neu an ihnen kann immer mein Verstehen sein. Mein Zugang – oder die Voraussetzung, die zu ihrem Abgang bei mir geführt hat. Worte kleiden eine Empfindung in eine Hülle, die etwas fassbar machen soll. Es gelingt nie wirklich. Wir scheinen alle Wahrnehmung nur teilen zu können, wenn wir sie reduzieren. Es wäre daher schön, wir wären so demütig, einzugestehen, dass alles viel grösser ist, als wir es begreifen. Die Worte, die wir dann benützten, wären wahrhaftiger.

14.Dezember 2021, 23:30

Hände weg von der Krippe

Jetzt gibt es sie wieder, auf Gemeindeplätzen und in vielen öffentlichen und privaten Räumen: Die Weihnachtskrippe mit dem Jesus-Kind, Maria und Josef, Ochs und Esel und den Drei Königen. Doch mit denen ist etwas falsch. Wirklich?

Foto: Thinkabout

Ja, Einiges. Sie sind, so wie wir sie heute dargestellt bekommen, reine Legende. Es waren Sterndeuter, drei weisse Männer, die dem Jesuskind Geschenke darbrachten – und anschliessend entgegen dem Auftrag von Herodes nicht zu ihm zurückkehrten, um ihm den Aufenthalt mitzuteilen und das Kind damit zu verraten, sondern wer weiss wohin verschwanden. Die Überlieferung hat daraus drei Repräsentanten verschiedener Erdteile werden lassen, sinnbildlich für die Achtung und Offenheit verschiedener Kulturen, und der Schwarze Mann ist in diesem Kontext eben gerade keiner Minderwertigkeit ausgesetzt, sondern steht oder kniet im Verbund mit seinen Begleitern gleichberechtigt an der Krippe im Stall.

Dass die Sternsinger den Brauch ablegen, dass sich einige Teilnehmer die Haut schwarz färben, kann ich noch so knapp verstehen,

dass aber Gemeinden dazu übergehen, den schwarzen Mann unter den Krippenfiguren hell einzufärben,

torpediert den Sinn der Geschichte geradezu und nimmt ihr die Botschaft, dass die Welt hoffnungsfroh zusammenfindet. Es schliesst schwarze Menschen eher vom schönen Grundgedanken aus. Das scheint mir wieder so eine Ersatzhandlung dafür zu sein, dass Symbole geradezu vorauseilend entfremdet werden, ohne dass dadurch ein einziges schwarzes Kind in der Schule schlechter oder besser behandelt wird. Viel gescheiter und dann tatsächlich pädagogisch wäre es, die Symbolik beizubehalten und die Wertigkeit des Einen unter Dreien zu betonen.

Das Thema ist ein Beispiel, wie intellektuell verkopft wir – möglichst laut auch noch – Stellvertreterdiskussionen über Rassismus führen, die mit der Realität im Alltag rein gar nichts zu tun haben. Statt Traditionen abzuschneiden, als wären sie eh nur ein alter Zopf, wäre es viel hilfreicher, wir würden die Geschichten, die dazu gehören, so erzählen, wie sie sich allen Menschen erschliessen können. Mit dicken oder dünnen, weissen oder farbigen Figuren.

11.Dezember 2021, 23:45

Der Blick meiner Muse auf mich

Du erleichterst mir
den Zugang zu meiner Seele.
Würde ich Dir nicht glauben,
wenn du sagst, dass ich schön bin,
und Schönes schreibe,
würde ich uns Beide beleidigen.

Stattdessen will ich Dich
und meinen Schöpfer ehren,
indem ich mich ehrlich bemühe,
meine Kreativität zu schulen,
und mit meinen Talenten zu arbeiten.

Ich will die Reflexe ablegen,
die mich alles verwerfen liessen.
Ich erahne meine Talente.
Ich werde keine Projekte mehr weglegen,
bevor jemand anderer als ich selbst gesagt hat,
dass sie nichts taugen,
nein, bevor ich damit nicht wirklich gescheitert bin.


thinkabout.myblog.de vom 14.11.04, heute redigiert
und heute dazu weiter gedacht:

Na, das habe ich ja bisher prächtig hinbekommen, denke ich spontan. Doch hätte ich die innere Wahrheit zwischen den Zeilen nicht doch ein gutes Stück weit verinnerlicht, so gäbe es Thinkabout als Blog heute natürlich nicht mehr. Die letzten Jahre in den Tasten haben nicht nur mich auf eine neue Weise mürbe gemacht, und es ist höchste Zeit, weniger die Welt verändern zu wollen als mich selbst mehr zu finden. Da habe ich dann auch wirklich etwas davon. Eine Impfung hilft auch dabei nicht weiter, aber nach wie vor mit dem Verlangen getränkt zu sein, etwas Kreatives zu versuchen, immer wieder, macht mich glücklich.

02.Dezember 2021, 6:30

Nach der Abstimmung ist vor der Umsetzung

Durchatmen scheint angesagt. Und ansatzweise darf vermutet werden, dass es auch geschieht – ich blende nun das wieder vorauseilende Theater wegen Omikron mal aus:
Die Schweizer Stimmbürger haben das Covid-Gesetz des Bundes mit 62% Ja der eingegangenen Stimmen angenommen. Damit beginnt – wie ich meine immer – die wirklich entscheidende Herausforderung für die direkte Demokratie – und das gilt für jedes Abstimmungswochenende: Das Ergebnis gilt es nun zu deuten, und naturgemäss fällt diese Analyse bei Befürwortern und Gegnern unterschiedlich aus.

Faktisch bedeutet das Ja, dass die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hinter der offiziellen Corona-Politik steht und also die 3-G-Regel, das Contact-Tracing und die Wirtschaftshilfe für geschädigte Branchen gutheisst . Das ist das Ergebnis, und es sollte zur Kenntnis genommen und akzeptiert werden. Diese grundsätzliche Bereitschaft, das Ja der Mehrheit anzuerkennen, ist die Basis unseres Zusammenhalts, genau so wie der Respekt der Mehrheit für die Bedenken der Minderheit. Eine Abstimmung schafft Legitimation, und sie hat das Zeug zu mehr: Sie kann darüber hinaus als Bestandesaufnahme dafür sorgen, dass die weitere Entwicklung einer Politik in eine Richtung geht, welche möglichst viele Bürger weiter UND neu hinter sich schart. Denn niemand wird behaupten wollen, dass es in unserem Land fast 40% Irre, zumindest fehl Geleitete, Schwurbler und Verschwörungstheoretiker gibt. Die Vorlage war genau so komplex wie die Pandemie für uns zur Herausforderung geworden ist. Und wie wir ja alle vorgeführt bekommen, geht unser aller Herausforderung in die nächste Runde.

So, wie gewisse Aktionen der Gegner komplett aus dem Ruder gelaufen sind, so peinlich war umgekehrt das Herumdrucksen des Bundesrates vor der Abstimmung um beabsichtigte weitere Massnahmen, die falsche Darstellung der möglichen Konsequenzen einer Ablehnung der Zertifikatspflicht und die Behauptung, wirtschaftliche Hilfen könnten dann nicht mehr geleistet werden sowie die im besten Fall schlaumeierisch zu nennende tendenziöse Formulierung der Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel zum Covid-Gesetz, welche das Zertifikat genau so wenig erwähnte wie die erweiterten Machtbefugnisse des Bundesrates.

Und rund um die Saga, wie gross die Geldmittel der Gegner im Abstimmungskampf gewesen seien, wäre dann die Macht der Medien zu nennen, die sich in grosser Zahl und oft nicht sehr reflektierend zum Sprachrohr der Politik machten.

Es gibt durchaus die Hoffnung, dass nun – und zwar trotz oder gar wegen der neuen Aufregung um Omikron – etwas mehr Gelassenheit einkehrt und wir die weitere Bekämpfung der Pandemie mit weniger Moralsäure und mehr Sachverstand angehen und zum Beispiel die folgenden Themen offen diskutieren:

  • Warum gibt es keine bekannte konkrete Bestrebung, die Situation in der Intensivpflege zu verbessern und mehr Personal auszubilden? Das Argument, das würde zwei Jahre dauern, hat sich tot gedauert – bald zwei Jahre nach Ausbruch von Corona. Angesichts der zu erwartenden Verlängerung der Krise und schlicht als Konsequenz aller Erfahrungen, die darin gipfeln, dass wir unser Überleben um jeden Preis wollen, müsste die Folgerung doch sein, dass wir uns eine Intensivpflegekapazität für den Notfall leisten. Jaaaah, was das kostet? Nicht im Ernst, oder? Denn mit dem Schauer vor einer Knappheit in den Intensivstationen hat man nicht nur die Impfprogramme befeuert sondern auch viele die Wirtschaft tangierende Massnahmen begründet. Die Pflegeinitiative ist angenommen worden – aber wir Alle wissen, dass Buchstaben das Eine sind, Menschen und Programme, die sinngemäss umsetzen, etwas Anderes.
    Und BITTE: Hört auf, die Ungeimpften für die Intensivpflegenotstände verantwortlich zu machen – Es sind bereits heute ein Drittel der Patienten geimpft, und es werden, logischerweise, immer mehr werden. Das Problem wird also unweigerlich zu einem der Geimpften werden, denen niemand so genau sagen kann, wer wann wie schnell was Boostern soll, weil der Schutz womöglich kürzer ist und schneller schlechter wird als gewünscht und Impfdurchbrüche sehr wohl sehr schwere Verläufe haben können.
  • Wann schafft es die Regierung, ihr Schutzkonzept anzupassen? Was sich aufdrängt, ist testen, testen, testen – immer schön in der Konsequenz derjenigen Meinungsträger, welche das Thema besetzen. Nicht 3G oder 2Gplus ist eine Lösung. Das Narrativ, wonach eine Impfung nicht nur Schutz bietet sondern von allen Massnahmen befreit, ist der bereits aktuelle und zukünftig hauptsächliche Treiber der Ansteckungen, denn Geimpfte sind offensichtlich für eine gewisse Zeit genau so infektiös wie Ungeimpfte. Die Lösung muss sein: Wo Menschen in einer zu definierenden Gruppengrösse zusammenkommen, muss ein aktueller negativer Test vorliegen. Und umgekehrt müssen Menschen in kleinerer Anzahl zusammenkommen können, im Restaurant am Tisch oder zuhause.
    Natürlich gehört dazu, dass die Tests gratis sein müssen und leicht zu absolvieren. Die Dichte der Testmöglichkeiten ist mit entscheidend und entsprechende Angebote direkt vor Lokalen, Stadien und anderen Anlässen können Zeugnisse dafür sein, dass den Menschen Zerstreuung und Unterhaltung möglich sein soll.
    Der Winkelzug des Bundesrates, womit er nicht nur die Tests nicht mehr gratis anbieten liess, sondern zusätzlich verfügte, dass nur noch Nasen-Rachen-Tests gültig sind, aber keine Nasentests mehr, um ein Kurzzeit-Zertifikat zu erhalten, hat keine wissenschaftlich erhärtete Evidenz. Er sollte lediglich das Prozedere noch mühsamer machen und die Leute in die Impfstationen treiben.
  • Ein schlicht unmögliches Faktum ist, dass es für die PCR-Tests bis heute keine Vorgabe für die Labore gibt, wie hoch der maximale Ct-Wert sein darf bei der Testung der Proben – obwohl es völlig unbestritten ist, dass mit höherem Ct-Wert die Zuverlässigkeit der Tests rapide sinkt.
  • Nach ersten Auswertungen hat die Gruppe der 18- bis 35-jährigen das Covidgesetz deutlich abgelehnt. Ein deutliches Zeichen und eine Mahnung, den Bogen der Regulierungen in Vielfalt und Schärfe nicht zu überspannen und vor allem in Rechnung zu stellen, dass es die Jungen sind, welche die Hauptlast tragen – sei es bei den Bildungsangeboten oder den wirtschaftlichen Spätfolgen der Pandemie. Der Schulbetrieb und die Berufsbildung darf nicht weiter beeinträchtigt werden und für die Wiederherstellung von möglichst viel Chancengleichheit muss viel investiert werden. Leider hat das Bildungswesen in der Politik naturgemäss eine Lobby, die im Vergleich mit der Pharma- und Gesundheitsbranche schlicht vernachlässigbar ist. Die Pandemie führt krachend vor Augen, wie extrem störend und für uns als Gesellschaft ungesund diese Tatsache ist.
  • Die Entspannung in der Diskussion, die auch ich mir wünsche, kann nur anhaltend sein, wenn eine Art Dynamik erkennbar wird, die darin besteht, dass Viele das Gute wollen und sich dabei auch gegenseitig gestatten, mal falsch zu liegen. Aber die Impfblende, die noch immer Viele glauben lässt, der nächste Booster werde alle Probleme lösen, muss aufgegeben werden.

Es gibt den Leitsatz, dass Freiheiten, die aufgegeben werden – oder aufgeschoben – selten bis nie zurück kehren. Die Zukunft wird zeigen, ob es hier anders ist. Die Praxis der digitalen Zertifikate bleibt extrem heikel und die möglichen weiteren Anwendungen werden bestimmt vorgeschlagen oder auch direkt versucht werden. Es wird sehr schwer werden, sich dagegen zu wehren – genau so, wie heute die Video-Überwachung des öffentlichen Raums, einst uns als Sicherheit vor dem Terror verkauft, niemals mehr abgebaut werden wird. Nicht nur in China grassieren die Ideen, wie praktisch eine digital vollständig kontrollierbare Bevölkerung doch ist – für deren Sicherheit, natürlich. Punktesysteme für die staatlich definierte Sozialverträglichkeit kennen wir noch nicht – die Softwaresysteme dafür gibt es allerdings auch bei uns schon lange.

Zum Schluss noch der Hinweis auf das Interesse der Krankenkassen, Zusatzangebote in Korrelation mit Fitness-Apps zu kreieren, in welchen Kunden mit guten Werten bessere, also günstigere Angebote bekommen und Bonuspunkte „verdienen“ können. Unsere Gesundheit ist, natürlich, ein Kostenfaktor, und danach werden wir eingeschätzt – nicht nur im Rahmen der Faktoren, die wir mit gesundem Lebenswandel tatsächlich beeinflussen können. Unsere persönlichen Dispositionen, genetischen Voraussetzungen, sozialen Umfelder und andere mit gegebene Konditionierungen lassen uns zu den Glücklichen oder den Pechmaries gehören. Und alle diese Systeme reduzieren uns auf Einzelfälle und sehen immer weniger das Tragen einer Grundversorgung für Alle vor. Wer diese Glocken läuten hört ist kein Verschwörungstheoretiker. Nur schlicht ein Beobachter.