Wenn wir uns selbst auf den Zahn fühlen wollen, dann schauen wir uns am besten genau an, wovor wir Angst haben und warum? Angst kann uns treiben, aber sie kann auch ein Lehrer sein. Sehr oft wird sie eingesetzt: Wer uns Angst macht, will ein bestimmtes Verhalten von uns – und sei es nur ein Einverständnis…
Die Freiheit beginnt dort, wo die Angst aufhört.
leider unbekannt
Politik funktioniert sehr oft so, dass eine Gefahr beschworen wird – gegen die es dann die propagierten Massnahmen zu ergreifen gibt. Die Terrorgefahr hat man uns in den letzten zwanzig Jahren so intensiv beschrieben, dass wir heute Überwachungs- und Kontrollmechanismen akzeptieren, die früher unvorstellbar waren. Doch immerhin ist uns dabei ein Feind von aussen beschrieben worden und man hat ihn nicht unter uns gesucht. Also, nicht unter unseresgleichen. Dafür haben ganz sicher zuviele Flüchtlinge zusätzlich leiden müssen. Angst frisst die Seele auf. Diffus können sie sein, diese Ängste. Das macht es eher noch schlimmer. Wir haben uns in der Pandemie von mancher Angst getrieben – sic – treiben lassen. In ein Wohlverhalten, damit es uns wohl gehen möge. Selbstverständlich. Wann ist jemals jemand dafür bestraft worden, dass er Ängste geschürt hat? Im Zweifelsfall war die Warnung unbegründet, aber gut gemeint, und es hätte ja sein können? Der Schaden, der damit angerichtet wird in der Gemeinschaft, ist nicht zu beziffern. Es sind nicht nur die Kameras, die nicht mehr verschwinden. Wer erlebt hat, wie er zum Problem werden konnte, nur, weil er sich eine andere Meinung erlaubte und die für sich und seinen eigenen Körper auch aufrecht erhielt, weiss, wovon ich schreibe. Es wird nie mehr genau das Gleiche sein. Vielleicht ist das eine Art von Erfahrung, wie wir sie zu Dutzenden als junge Erwachsene gemacht haben, als wir glaubten, die Welt wäre mit dem Glauben an wirkliche Ideale zu verändern. Das war dann Naivität, die abzulegen war. Leider. Dabei hat der Sieg über die Mauer, die Überwindung des kalten Krieges und die Möglichkeit zur fast weltweiten Interaktion der Menschheit wohl einmalige Chancen eröffnet. An denen sie krachend gescheitert ist.
Der propagierte Wandel durch Handel hat nur als Deckmantel, als moralisches Notgerüst funktioniert, in deren Dunst die Profitgier ungehemmt gewütet hat. Der hochmütig arrogante Anspruch des Westens, moralisch überlegen zu sein, ist unerträglich. Sieger, die sich auch als solche geben, müssen sich in der Folge anrechnen lassen, was sie aus ihrem Triumph gemacht haben. Die Bilanz ist verheerend.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine kann gar keine Rechtfertigung haben und jeder einzelne Tote ist einer zuviel – die russischen Soldaten eingeschlossen. Die jüngst wieder angeschlagene Rhetorik der USA allerdings ist wohl die hässlichste Art, zu zeigen, dass auch und gerade jetzt die Menschen in der Ukraine nur Spielball sind. Ja, wir sind den Mächten hilflos ausgeliefert. Aber wir sind nicht einfach nur hiflos oder schuldlos. Und wir zeigen das ja auch: Durch unzählige Aktionen, die unsere ehrliche Betroffenheit bezeugen. Erstmals hat man den Eindruck, dass Europa als Kontinent tatsächlich eine Geschlossenheit erreichen kann – auch hier wirkt die Angst vor der Bedrohung. Doch diese Bedrohung ist konkret, und das führt dazu, dass wir uns ihr auch viel eher stellen. Wir begreifen: Die Bedrohung rührt an etwas, was uns wichtig ist, was bedeutend ist und wertvoll, mögen wir es auch lange Zeit uns nicht mehr bewusst gemacht haben: Selbstbestimmung ist ein hohes, wichtiges Gut! Wir wehren uns gegen die Aggression, und es ist dabei auch gut, wenn wir sie auf allen Seiten erkennen und nicht gutheissen. Und ja, auch Worte sind da gemeint. Die Rede von Joe Biden jüngst in Polen war eine Katastrophe, und der Krebsgang, der danach in der amerikanischen Diplomatie eingesetzt hat, legt das offen.
Schauen wir uns also unsere Angst an, helfen wir den Menschen, wehren wir uns, fassen wir Mut. So, wie es ganz viele Menschen gerade vorleben. Wir haben tatsächlich viel mehr zu verlieren als die Möglichkeit auf freien, unbeschränkten Konsum. Und seien wir uns bewusst: Die grösste Herausforderung beginnt dann, wenn sich die Angst legt und wir Freiheit zurück gewinnen (sollten): Damit müssen wir nämlich was anfangen. Dann beginnt sie erst recht, die Verantwortung für uns und andere. Für die Erde, die uns nur noch sehr schwer erträgt. Wir haben so viel zu ändern. Aber keine Angst sollte so gross sein, dass wir es nicht wagen, es anzugehen.