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22.September 2022, 2:30

Federers Tränen

Roger Federer steht vor seinem wirklich letzten Auftritt als Profi-Tennisspieler. Womöglich wird er morgen ausgerechnet mit Rafael Nadal zum Doppel beim Lavers Cup antreten – mit seinem grössten Rivalen, der ihm nun auch zu einem Freund werden kann. Es wird ein tränenreicher Abschied werden, aber auch ein wunderbarer. Es werden Trauer der Wehmut, aber auch der Erlösung und Dankbarkeit fliessen. Und auch für diese Tränen wird sich Federer nicht schämen.

Der Champion tritt ab. Roger Federers Abschied ist keine Überraschung – dass sein Rücktritt nun mit dem Laver-Cup doch noch einen so feierlichen Rahmen bekommt, hat er sich verdient – es ist aber auch Ausdruck dafür, wie umsichtig auch in diesem Fall die Planung im Management erfolgte. Der Maestro hat es durch seine ganze Karriere hindurch verstanden, neben den Improvisationskünsten auf dem Platz eine Planungs- und Organisationskompetenz mit seinem Team zu entwickeln, die ziemlich beispiellos ist. Was uns mehr als einmal hat denken lassen, dass eine Karriere doch gar nicht so perfekt verlaufen kann. Zu kitschig, zu glatt, zu rund. Wirklich?

Federer hat sein auf so vielen genial intuitiven und technischen Fähigkeiten beruhendes Spiel auf einem unfassbar hohen Niveau stabilisiert, aber er hat uns nie vergessen lassen, dass Siegen auch wieder Niederlagen folgen, und er hat als Sieger wie als Verlierer auf dem Platz in aller Öffentlichkeit oft geweint. Das hat ihm auch Häme beschert, doch das dürfte ihm herzlich egal sein. Er hat erreicht, dass er nie zur Maschine wurde, er ist uns in aller Perfektion als Mensch begegnet und hat uns auch den Respekt gelehrt, den wir alle unseren Fähigkeiten erweisen sollten. Dankbar, aber auch mit dem Bewusstsein für das, was wir gut können und was folglich unseren Einsatz so sehr verdient. Uns zuliebe.

Der Balljunge in ihm freut sich noch heute am Spiel – und das wird so bleiben. Federer hat sich beim Tennis bedankt, dass es ihm so viel gegeben hat. Wir geben den Dank zurück. Wir alle, die wir Tennis spielen. Egal wie gut, aber gerne mit der gleichen Freude.

Federer hat auf und neben dem Platz mit Herz gegeben, sich Bescheidenheit bewahrt, eine Marke geschaffen, und in all den vielen Dingen, die noch auf ihn als Aufgaben warten, wird er ein Gentleman bleiben, der es nett findet, wichtig zu sein, aber noch viel wichtiger, nett zu sein. Das Motto wird ihn weiter liebenswert machen. Und ich glaube, ich werde im Ausland, wenn erkannt wird, dass ich Schweizer bin, auch in zehn, in zwanzig Jahren immer mal wieder auf Federer angesprochen werden. Und dabei kommt nicht nur Bewunderung für den Sportler zum Ausdruck – es ist der Mensch, so, wie er sich zeigt und seine Berufung vorlebt.

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