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27.Juni 2024, 6:03

Schreiben nach dem Stillstand

Der Versuch, Anlauf zu nehmen, um das zu pflegen, was immer schon wichtig war – und bleiben soll.

Diese Seiten sind so wichtig für mich. Ich weiss, dass der faktische Stillstand bei den neuen Inhalten das nicht gerade vermuten lässt. Aber ich würde nie wollen, dass es diese Seiten nicht (mehr) gäbe. Und das tippt jetzt gerade einer, der zeitlebens ein schwieriges Verhältnis zu seinem schon Geschriebenen behalten hat…

Was Leserinnen hier aufnehmen, was Leser an Anstössen empfangen mögen – gerade diejenigen, die mich auch persönlich kennen, ist etwas von dem, was ich nach aussen geben kann. Vielleicht bleibt nur ein Satz, vielleicht nur ein Eindruck, und wahrscheinlich ist alles flüchtig.

Das ist nicht weiter tragisch. Die Welt ist voll von fundamentalen Schöpfungen von Menschen, mit sehr viel grösseren Talenten, deren Werke Bestand haben. Aber auch nur relativ. Als Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Es ist unser aller Herausforderung, Vergessen zu akzeptieren – und hinter die fehlende Erinnerung zu schauen. Denn viel wichtiger als der äussere Ausdruck ist der Eindruck, den Erlebtes auf unser Wesen ausübt. Und Schreiben, ob hier oder still im Dialog nur mit mir, ist ein Versuch, eine Technik, ein Prozess, ein Verfahren, vorwärts zu kommen. Einen Schritt. Auf dem Weg, an dessen Ende die Aussicht, vergessen zu werden, keinen Kummer macht. Denn alles, was ich fühle und denke, arbeitet an und mit mir – und beinahe nichts davon wird mir bewusst.


Ich war immer auch ein politischer Mensch, ein Staatsbürger, ein überzeugter Demokrat und glühender Befürworter der direkten Schweizer Demokratie. Dieses Bewusstsein hat Risse bekommen. Dabei bin ich mir bewusst, dass ich zwar Meinungsstärke besitze, meine Meinung aber nicht geteilt werden muss und es auch mein Unvermögen ist, wenn sie sich nicht durchsetzt. Und mein Unvermögen ist auch mein Unwissen. Mein Halbwissen. Die Deutungen, die ich meinen Beobachtungen folgen lasse – sie mögen eine Bestandesaufnahme meines eigenen Meinungsprozesses sein, nicht mehr. Nur wäre es schön, es gäbe mehr Menschen, die ihre eigene andere Meinung, ihren Standpunkt, ähnlich verstehen würden.

Ausgerechnet enge Freundschaften haben die Corona-Zeit nicht überdauert. Das fühlt sich mies an. Ich bin verletzt, enttäuscht, durchgeschüttelt. Und bin mir bewusst, dass Freunde genau das Gleiche von mir denken mögen. Ich habe nicht „vermeintliche Freunde“ geschrieben. Ganz bewusst. Denn das Mindeste, was ich mir und anderen Liebes tun kann, ist, den Gleichmut aufzubringen dafür, dass ein jeder Mensch Situationen kennen lernt, in denen er glaubt, Position beziehen zu müssen. Wertungen werden zu Abwertungen anderer, weil ein fehlender Gleichschritt subversiv erscheint.

Ich werde wieder schreiben. Und ein Teil meiner Leser wird der gleiche sein wie „vorher“. Finden können soll jede und jeder bei mir schlicht die Anregung, sich persönlich Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Und genau dabei können wir, und das weiss ich ganz genau, freundschaftlich verbunden sein.

8 Gedanken zu „Schreiben nach dem Stillstand

  1. von Relax

    Ein klassischer Thinkabout-Artikel. Der Blogger-Name ist Programm und Bloggerin Frau Müller hat vor langer Zeit geschrieben: Thinkabout Artikel haben immer so viele Facetten, dass nach dem Lesen „Innehalten, Aufnehmen/Verstehen und Einordnen“ angesagt ist, um den ganzen Nutzen von Thinkabout’s Gedanken-Power aufnehmen zu können.

    Das gute Glas, das neben mir steht, hilft mir jetzt den Verwertungs-Prozess zu starten und zu bewältigen!
    Mach weiter so lieber Thinkabout!

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Lieber von Relax
      Was für schöne Worte!
      Das Zitat von Frau Müller hatte ich so nicht abgespeichert.
      Aber ich lese es natürlich gern.
      Herzlichen Dank!

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  2. ClaudiaBerlin

    Wie schön, dass du wieder schreibst! Grade deine nachdenkliche Art („Thinkabout“) gefällt mir gut und ich möchte dieses Blog nicht missen!
    Mich interessiert, warum deine Überzeugung von der direkten Demokratie in der Schweiz „Risse bekommen“ hat. In Deutschland dient sie vielen als Vorbild, wobei mir sonnenklar ist, dass sich dieses System nicht einfach so auf ein Land wie Deutschland übertragen lässt. Vielleicht schreibst du ja mal darüber, würde mich freuen!

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Liebe Claudia
      Ja, ich bin ziemlich sicher, dass ich darüber weiter schreiben werde.
      Hier mal so viel:
      Ich bin nach wie vor, natürlich, mir bewusst, dass die direkte Demokratie, wie wir sie in der Schweiz haben, in dieser Form wohl weltweit einmalig, tatsächlich am meisten Bürgermitbestimmung möglich macht. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob wir diesem Umstand die Rechnung tragen, die er verdient – und entsprechend hoch halten, was uns möglich ist. Es sind immer die Menschen, welche schlussendlich bestimmen, wie ein System bei den Einzelnen anschlägt.
      Und direkte Demokratie verlangt wie kein anderes System, dass man andere Meinungen aushält – die womöglich auch noch eine Mehrheit finden. Und wenn Geduld oder – vermeintlich – die Zeit fehlt, um die Meinungsbildung auszutragen, kann es sehr schnell geschehen, dass die demokratischen Prozesse ausgehebelt oder so verkürzt werden, dass eine laute Führung die Vernunft für sich reklamiert.
      In einer satten Welt dominiert die Bequemlichkeit, in einer sich bedroht fühlenden Gesellschaft siegt die Angst über das Denken – das kann auch bei uns geschehen.
      Natürlich bietet unser System tendenziell viel mehr Möglichkeiten auch für eine Aufarbeitung einer Krise – aber die Widerstände dagegen zu überwinden ist dennoch sehr schwer und gelingt bei weitem nicht immer – oder beschämend spät und nur in Ansätzen.

      Wenn deutsche Freunde und Bekannte sich unser System wünschen, füge ich oft und gerne an, dass dieses System erst recht die vierte Kraft im Staat braucht: Eine konstruktiv kritisierende, aber wirklich unabhängig funktionierende Medienwelt. Noch vermag ich nicht abzusehen, welche Lehren zum Besseren welche Medien überhaupt ziehen wollen und können. Corona war und ist ein Test für unser Immunsystem – weit über das biologische Verständnis des Begriffes hinaus – wie resilient sind wir, wenn es um unsere Freiheitsrechte geht – und damit um die anhaltende Möglichkeit, unser politisches System mit zu gestalten?

      Und das ist auch meine persönlich grösste Herausforderung: Ich bin von Personen und Gruppen ausgegrenzt worden, von denen ich das in dieser Art und Weise nie erwartet hätte. Freunde zeigten sich besorgt über meinen Geisteszustand, Gruppen verorteten mich in die Ecke der Verschwörungstheoretiker. Die Schnelligkeit, mit welcher ich mich am Rand wiederfand oder ganz ausserhalb, schockiert mich noch immer, und die Erfahrung haben Viele gemacht. Bisher kann ich bei der Mehrheit wenig Bewusstsein für die Grösse des Problems ausmachen, das geschaffen worden ist. Aber es ist erst wenig Zeit vergangen. Nur, wieviel Zeit uns bleibt bis zur nächsten Krise, vermag niemand zu sagen. Und wir sollten uns bewusst sein, dass die Krise des Systems genau so viel Grund ist, sich zu ängstigen, wie so manche gesundheitliche Gefahr, die ins Bewusstsein gelangt und dann wieder verschwindet.

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  4. Gerhard

    Die Schnelligkeit, mit welcher ich mich am Rand wiederfand …
    Das ist fast normal in unserer Gesellschaft.
    Ähnliches erlebte ich auch einmal.
    im übrigen: ich war Anhänger von Drosten &co.
    irgendwo muss man sich ja verorten.
    was gerne jetzt vergessen wird: es drohte die massive Überlastung des gesundheitssystems.

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    1. Thinkabout Beitragsautor

      Du WARST Anhänger von Drosten und Co? Und warum Anhänger?
      Hat er eine Lehre verkündet?
      Eines der Probleme war und ist genau, dass Wissenschaftler begannen, Politik zu machen. Sie erklärten den Stand ihres (Un-)Wissens zur Lehre, gegen die zu argumentieren oder die zu hinterfragen, eine Unverantwortlichkeit wurde. Mit der Aufstellung von Maximen und Thesen, die im besten Fall nicht wirklich überprüft waren – und im schlimmsten Fall wider besseres oder zusätzlich gewonnenes Wissen aufrecht erhalten wurden. Via Social Media wurden Vertreter einzelner Positionen zu einer Art moralisch legitimierten Heilsbringern, und diese Positionen waren und sind im Einklang mit den Instituten, für die gearbeitet wird. Es war sehr schnell auffallend, dass emeritierte Professoren oder Wissenschaftler im frisch erlangten Ruhestand oft die ersten waren, die eine kritsiche Meinung geäussert haben.
      Es drohte die Überlastung des Gesundheitssystems? Warum nur hat dieses Gesundheitssystem mitten in der Krise laufend das Total seiner Plätze auf Intensivstationen abgebaut?

      Ich verstehe Dich sehr gut, wenn Du sagst: Irgendwo muss man sich ja verorten. Genau das ist eines der Übel in der ganzen Geschichte. Mit dem Beginn der Impfprogramme wurden solche Zwänge geschürt. Wer unbedacht und ohne Vorbehalte die Spritze empfing, konnte danach maskenfrei zur Schule oder in die Firma gehen oder zum Skilaufen fahren – und dort massenweise andere Menschen anstecken. Während Ungeimpfte, welche alle anderen Verhaltensregeln befolgten und alle Einschränkungen akzeptierten, die Unverantwortlichen waren.

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      1. Gerhard

        Während Ungeimpfte, welche alle anderen Verhaltensregeln befolgten und alle Einschränkungen akzeptierten, die Unverantwortlichen waren.

        woher hast du das ,lieber Kurt?
        Die ungeimpften, die ich kenne, waren eh unbesorgt.

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