Ressort: Politik(Weitere Infos)

08.Oktober 2025, 7:00

Im Hass bekommt niemand Recht

Bild: chatgpt.com

Auch für mich ist der Nahostkonflikt schon so lange, wie ich mich überhaupt für Politik interessiere, immer ein Rätsel geblieben. Und das sind auch schon deutlich mehr als vierzig Jahre. Und im Gegensatz zu manch anderer politischer Frage ist oder war der Teil der Menschen, die ratlos sind, gross. In den letzten Jahren ist er kleiner geworden. Die Kritik und Ablehnung gegenüber Israel wächst. Das kann ich verstehen, aber ein paar Dinge stören mich dabei massiv.

Unter dem Eindruck dessen, was in Gaza aktuell geschieht, oder was wir davon überhaupt – bis heute – wissen, geht vergessen, was am 7. Oktober 2023 geschah. Natürlich geben wir alle vor, es zu wissen. Aber wir verharren keinen Moment dabei, sondern beginnen gleich zu hinterfragen – und die Schuld der israelischen Führung daran nachzuschieben (fehlende Überwachung, versagender Geheimdienst, politischer Nutzen aus dem Ereignis). Darum nochmal:

Dieser Hamas-Angriff hat nicht einfach 1200 Menschen den Tod gebracht und 250 in Gefangenschaft gesetzt. Dieser Anschlag war der wohl grausamste Terrorakt, der seit Menschengedenken verübt wurde. Er hatte keinerlei militärisches Ziel. Die Art, wie die Menschen geradezu abgeschlachtet, vergewaltigt und gequält wurden, Frauen, Mütter und kleine Kinder inklusive, ist reine Raserei. Die Israeli sehen sich in ihrem Trauma mit der Tatsache konfrontiert, dass diese Barbarei die furchtbare Realität manifestiert, dass unzählige militante Palästinenser Israel nicht nur das Existenzrecht absprechen, sondern mit fanatischer Überzeugung danach leben, dass nur ein toter Jude ein guter Jude ist. Dieser Angriff hat ganz vielen moderat eingestellten Bürgern in Israel gewissermassen den Boden unter den Füssen weggezogen, und die Regierung macht damit Politik und führt einen Krieg, in welchem sie ebenfalls laufend bisherige Linien überschreitet.

Wenn nun ganz viele gerade westliche Staaten sich beeilen, den Staat Palästina anzuerkennen, dann ist das eine Symbolhandlung, die im Grunde entlarvend unehrlich ist. Denn diese Anerkennung erfolgt ohne praktische Konsequenzen: Eigentlich könnte der anerkannte Staat Palästina in diesen Ländern,Botschaften einrichten und Personal mit Diplomatenstatus entsenden. Ich möchte mal wissen, wie nervös man dann werden dürfte, wenn man keine Ahnung hat, woher dieses Personal kommt und mit welcher Motivation es agiert? Aber die Frage bleibt ja theoretisch. Es gibt nicht nur kein Staatsgebiet, es gibt noch nicht mal eine legitime, sich herausbildende Vertretung – und wer sitzt denn nun bei den „Friedensverhandlungen“ für Gaza am Verhandlungstisch? Nicht ein Mitglied der bestehenden Palästinenservertretung ist überhaupt eingeladen. Das letzte Zeichen dafür, dass es sie im Grunde gar nicht (mehr) gibt.

Was können wir nun tun? Aus Sympathie oder Ohnmacht uns für die eine Seite entscheiden und damit für das eigene Gleichgewicht eine Moral reklamieren, die wir von der anderen Seite verlangen? Die Antwort kann für mich nur sein: In jedem Gespräch, in welchem die Gräueltaten in Gaza beklagt werden, gehört mit erwähnt, wie bestialisch der Anschlag auf die israelische Zivilbevölkerung war und wie unfassbar menschenverachtend die inszenierten Geiselfreigaben abliefen. Der Ruf von Palästinensern nach Palästina soll gehört werden – aber die Hamas gehört bedingungslos geächtet. Und das Drama, dass sich jeder Palästinenser mittlerweile die Frage gestellt bekommt, wessen Sympathisant er denn sei und wie weit seine Sympathie gehe, ist Ausdruck davon, wie sehr die Hamas die palästinensische Zivilbevölkerung verpestet hat. Der Hass hat sich über Jahrzehnte auf beiden Seiten laufend vertieft – gerade deswegen kann ich gar keine Partei ergreifen. Was ich aber kann, ist die Menschlichkeit in Einzelschicksalen suchen – und die kleinsten Fitzelchen einer Haltung, die Versöhnung lebt, hochhalten, ja, mich sogar davon inspirieren lassen. Niemand spricht gerade von diesen Menschen. Aber es gibt sie noch immer. Auf beiden Seiten.

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