Ressort: Tagebuch(Weitere Infos)

15.Februar 2021, 17:30

Zufall, so schön

Rauhreif am frühen Morgen. Er liegt wie Schnee auf dem Rasen. Wie beiläufige, flüchtige Saat der Natur.

Dass ich ihn erlebe, bevor er wegschmilzt wie der kalte Atemhauch auf einer beheizten Scheibe im Winter, habe ich dem Zufall eines selten frühen Termins zu verdanken, den ich gestern noch verflucht habe.

Jetzt ist mir diese Begegnung mit Schönheit ein Sinnbild für das kleine Glück, das wir in unserem Gefangensein in Unwichtigem zu oft nicht sehen.

Diese Schönheit lässt sich nicht festhalten. Aber sehen. Entdecken. Das Geschenk tut der Seele so gut wie der einsetzende Tau, der den Rasen tränkt.

Ist es nicht ein wunderbares Ziel, solche Augen-Blicke wo und wann immer möglich in unserer Seele zu speichern und mit zu nehmen in alle neuen Tage unseres gewohnten „alten“ Alltags?

Was wir Zufall nennen, ist der Zufluchtsort der Unwissenheit.

Spinoza

[myblog-Text vom 29. Oktober 2004, redigiert]

09.Februar 2021, 18:00

Worte mit Seele.

Ich schreibe einen Brief. Ich schreibe einen Text. Ich setze meinen Namen darunter. Ich schicke ab oder stelle online. Die Worte gehen auf eine Reise. Sie sind nicht mehr einzufangen. Sie bleiben ein Zeugnis meiner Gedanken. Sie erreichen. Sie berühren. Sie verpuffen. Sie machen still. Sie provozieren Widerstand. Sie bestätigen. Sie geben recht. Vielleicht haben sie unrecht. Wenn sie nur nicht unrecht sind. Sie machen Freude. Hoffentlich. Sie haben vielleicht auch Ansprüche.

Denk mal nach. Thinkabout. Das klingt überheblich. Es bleibt einfach ein Erzählen. Schau: Das denke ich.

Darauf folgen Deine Gedanken. Dein Weg geht weiter. Wie meiner, wie jeder Weg weiter geht bis zu seinem scheinbaren Ende. Wir fehlen. Wir lernen. Wir wachsen. Wir leiden. Wir freuen uns. Wir leben. Wir teilen. Wir gehen den Weg weiter. Manchmal erfahre ich, dass ich berührt habe. Manchmal vertraue ich einfach darauf. Schreiben ist ein einsamer Prozess. Ich ziehe mich in mich selbst zurück und komme mit einem Teil von mir wieder zurück. Ich gebe etwas von mir fort. Ist es verloren? Hilft es? Macht es Sinn? Es wird vielleicht genau so von mir nicht wieder gedacht und empfunden. Ein Tagebuch einer momentanen Erkenntnis oder eines aktuellen Irrtums. Aber mit Seele. Für mich wahr. Und richtig. Dann lege ich die Tastatur zur Seite. Manchmal warte ich auf Bestätigung. Aber es braucht sie nicht. Worte mit Seele waren eben reif, geschrieben zu werden. Als meine Worte. Auf meinem Weg. Heute. Und das, was ihre Seele ist, bleibt bei mir. Darum ist es ein Text von mir. Nicht weil mein Name drunter steht. Ich bin da drin.

Und ich komme zu dir. Und deine Seele liest. Und findet ihre eigene Sprache. Sie ist für dich wichtig. Du liest für deinen Weg und gehst ihn weiter.

25.Dezember 2019, 21:34

Nachrichtentage

In diesen Tagen werde ich überrascht von Nachrichten von Menschen, von denen ich keine Botschaft erwartet hätte – und andere bleiben aus, denen ich keine enttäuschte Erwartung entgegen stelle. Die Weihnachtstage sind keine Aufrechnungstage – sie bieten vielmehr Gelegenheit, Dankbarkeit zu zeigen, vielleicht auch neu zu entdecken, für den Reichtum, den ich im eigenen Leben habe. Ich mag dabei selber in guter Stimmung sein, glückliche Weihnachten haben oder eher traurige – die Tage können auf jeden Fall einen Zauber für mich entfalten – und mir gut tun.

Ich denke an Menschen, die dieses Jahr bewusst einmal Weihnachten als Tage ohne Familie brauchen, an solche, die Verlust fühlen müssen, an eine Familie, die eben noch um das Leben eines jungen Menschen fürchten musste und gerade wieder Mut findet, an Menschen, welchen eine Trennung noch ganz frisch auf der Seele brennt, an Menschen, die ihre kleinen Zeichen nicht nur an Weihnachten uns schenken, sondern damit weiter machen werden, eben genau so, wie es immer sein kann, nicht wahr? Jeder Tag ist einer, an dem man einen Gedanken an einen Menschen packen kann, um gerade in diesem Moment bei ihm zu sein. Und die unzähligen Momentaufnahmen packen sich dazu, die uns allen bewusst machen, wie wechselhaft das Leben sein kann, wie beständig aber auch. Und Veränderungen, ob wir sie begrüssen, befürchten oder ob wir beklagen, was wir vermissen, verloren haben – der Schmerz kann und wird weichen, schwächer werden, sich wandeln lassen, weil die Erinnerung gerade auch die liebevollen Begebenheiten, die Wärme und die Liebe zu einem Menschenb, zu einem Lebewesen, einem Heim, nie leer wird. Die geschenkte und erfahrene Liebe wird nicht in der Enttäuschung verenden – sie will sich erneuern, sie will leben, und mag der Samen noch so tief vergraben sein – er kann wieder zum Licht drängen und es finden. In Schritten, oder jederzeit, unverhofft. Vielleicht tragen wir dazu bei, indem wir einem Impuls folgen und uns jemandem zuwenden, wenn wir an ihn denken. Und dafür ist jeder Tag so geeignet wie Weihnachten.

01.Januar 2019, 21:50

Weihnachts- und Neujahrsgrüsse

Ich war mal ein sehr eifriger, disziplinierter, aber auch ein überzeugter Festtagskartenschreiber. Irgendwie ist das verloren gegangen. Ich habe dieses Jahr genau 2, in Worten: Zwei, Weihnachtskarten geschrieben. Und die beabsichtigten Neujahrsgrüsse gehen als erster unerfüllter Vorsatz des neuen Jahres in meine persönliche Geschichte ein. Versuch einer Erklärung, nicht einer Entschuldigung.

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17.August 2018, 7:00

Aretha For Ever

Aretha Franklin – mehr Seele geht nicht

Ich bin bis ins Teenageralter ohne Musik aufgewachsen. Also bin ich wohl nicht gerade der Experte. Aber persönlich kann ich dennoch Wahres sagen, und es ist bestimmt für Viele nachvollziehbar. Mehr Soul und Gospel hat wohl niemand in die Popmusik gebracht. Das Musikmagazin Rolling Stones hat sie zur besten Sängerin aller Zeiten erklärt. Da stell ich mich in die Reihe und sage ganz einfach:

Als ich zum ersten Mal Aretha Franklin singen hörte, da begriff ich, dass auch ich Musik würde entdecken können. Ich muss nur meiner Seele folgen.

Aretha Franklin ist nicht mehr. Aber ihre Musik, ihre Stimme – nichts mag ewig sein, aber sie werden wir viel mehr in Erinnerung und damit wach behalten wollen als das meiste andere.

05.November 2017, 16:25

Das Leben und wir sind kompliziert

Das Leben ist schon ziemlich kompliziert, betrachtet man es mit den Augen von Nico Semsrott. Bei ihm lerne ich, dass man Verzweiflung in Worte fassen kann – und dabei geht es mir dann besser, obwohl schlussendlich alles kompliziert bleibt – und das Einfache womöglich auch noch kompliziert wird.

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07.Oktober 2016, 16:00

Warum ich lieber Emails schreibe?

Eine Email ist wie ein Brief. Wer hätte das zu Beginn unseres Jahrhunderts gesagt, als alle befürchteten, Emails würden gerade die Schreibkultur zerstören? Aber das Gegenteil ist der Fall: Schreibe ich eine Email, so schreibe ich für eine Person. Womöglich habe ich sogar einen Antrieb. Weil ich weiss, dass sich die Person darauf freut. Oder darauf wartet. Und ich bekomme Rückmeldung. Und: Ich kann mich prüfen, mich um eine gute Schreibe bemühen, ohne dass mir Eitelkeit (allzusehr) in die Quere kommt. Denn ich schreibe nur für sie, diese eine Person. Es ist eine Art Schreiben, die ein Geschenk sein kann für zwei. Das ist viel. Es kann sogar alles sein, was zählt.