Der Papst will also den Dalai Lama nicht empfangen – um China nicht zu verärgern. Dieser alte freundliche Papst Franziskus, der bei den notwendigen Erneuerungen der katholischen Kirche doch scheinbar einiges an Rückgrat beweist, macht den Kotau vor China. Aber er ist ja beileibe nicht der einzige.
Gibt es eigentlich noch irgend einen Schwerpunkt, bei dem China im Zweifelsfall seine Macht nicht spielen lassen kann? Wohl eher nicht. China ist das grösste Gläubigerland der USA, der Renmimbi ist von seiner faktischen Bedeutung her daran, den US-Dollar als Leitwährung abzulösen. Die Chinesen greifen mit ihren Investments nach einem ganzen Kontinent: Niemand ist in Afrika so präsent wie sie. Wenn irgend ein westliches Staatsoberhaupt das Reich der Mitte besucht, wird das Thema der Menschenrechte immer mal wieder angeschnitten – von der heimischen Presse – im Vorfeld und im Nachhinein, etwa so entschieden wie ein flüchtiger Husten. Und in der Tat spiegeln die Regieurngschefs nur unsere eigenen Befindlichkeiten. Denn mit dem Argument, sich keine wirtschaftlIchen Nachteile einhandeln zu wollen, kriegt man uns alle. Niemand von uns ist dazu bereit, für ein Prinzip oder ein Stück Ethik auf Wachstum, Fortkommen und Lohnerhöhung zu verzichten. Ich schreibe noch nicht mal von Verzicht – nur vom bewussten Verzicht auf mehr.
Die Chinesen bestimmen mit ihren Förderprogrammen das Geschick und den Niedergang der Industrie für Solarenergie. Sie sind auf fast allen Gebieten das Zentrum der globalen Wirtschaft – mit jener Volkswirtschaft, die wie keine andere unter den grossen der Welt politisch gelenkt wird. Es gibt dafür keine Skrupel – im Zweifelsfall dominiert die Macht des Stärkeren. Die Chinesen können dabei einfach noch ein bisschen kälter sein als wir im Westen. Aber handeln tun wir alle nach diesem Prinzip. So, wie wir dem Wettbewerb das Wort reden, landen wir am Ende immer in der Abhängigkeit des Stärksten. Dem Westen bleibt als letztes grosses Feld im Grunde noch die militärische Macht. Dabei ist unsere Welt voll von Beispielen, die zeigen, wie stumpf diese Macht ist. Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien – ob bewusst vom Westen gelenkte oder nur mit bestrittene Kriege, das Fazit ist immer das gleiche: Siege sind gar nicht möglich. Es gibt am Ende nur Verlierer und das Fiasko im Irak ist erschütternd.
Und jetzt wankt Russland. Befindet sich die Welt eigentlich im Krieg? Wenn wir sehen, wie kompromisslos der Stärkere jeweils seine Interessen durchsetzt, so mag ich auf jeden Fall nicht finden, wir lebten in Frieden.
Will den Vorgang nicht werten, weil sehr komplex, aber der Papst wird sicher gute Gründe haben. Anders gesagt, dieses Verhalten das Fragen aufwirft, ist in einer Interessensabwägung anderen Betrachtungen und Prioritäten unterlegen. Das ist schlicht Interessen- und Macht-Politik, auch wenn wir uns die Augen reiben. Auch der Papst und die Katholische Kirche müssen sich immer mal wieder den Regeln aus „der bösen Welt“ unterwerfen um wichtige Ziele zu verfolgen.