
Wenn ich davon rede, was ich höre, im kleinen Kreis diskutiert habe, oder was mir zugetragen wurde, dann spreche ich gerne von meinem Umfeld. Nun taucht für die Bezeichnung der eigenen relativ kleinen Welt immer wieder der Begriff der Blase auf – und ich glaube, dass das sehr treffend ist. Verwendet wird er wohl erst, seit die Phänomene der asozialen Medien wenigstens teilweise reflektiert werden. Aber er wird auch darüber hinaus immer zutreffender.
Als Mensch, der viel mit dem Internet arbeitet, erscheint es mir unwirklich, dass fast 50 Prozent der Menschen gar keine News mehr konsumieren, aber ich kann beobachten, dass ganz Viele sich heute sehr stark über die asozialen Medien informieren – und daselbst meist nur bei gefühlt einem, zwei Kanälen. Die Informationen werden in Schnipseln konsumiert und sind auch entsprechend getrimmt, dass „es“ aufgenommen wird. Es geht um Kernaussagen, um Griffigkeit und eine Form von (Ein-)Dringlichkeit, die haften bleiben soll. Sind die News umfangreicher, so wird es anstrengender – und reflektiert wird es dann erst recht von jenen, die vollständig gleicher Meinung sind – oder vereinzelt von denen, die komplett dagegen opponieren. Das ist aber ganz selten. Denn es ist ganz eindeutig viel angenehmer, sich dort zu äussern, wo man mit Zustimmung rechnen kann – und eine Gegenrede nicht förmlich niedergeknüppelt wird. Und so bilden sich Blasen, die neben einander her verlaufen und sich kaum mehr berühren. Im Grunde will damit die Nachricht nicht mehr informieren, sondern mobilisieren.
Unsere Neigung, in Blasen zu leben und zu denken, nimmt auch, wie mir scheint, abseits der asozialen Medien zu und ist damit – siehe oben – auch ein Phänomen der anderen 50 Prozent. Wir haben komplexe Herausforderungen vor der Brust, und je nach dem persönlichen Rüstzeug, der so genannten Resilienz, macht uns das mehr oder weniger Angst. Vom Eindruck, dass niemand Bescheid weiss, bis zum Verdacht, dass „die“ uns für dumm verkaufen, ist es manchmal ein kurzer Weg, und gerade in komplexen Problemstellungen haben einfache Antworten ein Verführungspotenzial, weshalb politische Parteien, welche die Probleme auf ein, zwei Kernursachen zurückführen, die möglichst wenig mit unserem eigenen Verhalten zu tun haben, goldene Zeiten erleben.
Mein Eindruck ist, dass die meisten Menschen heute auch im kleinen Kreis viel weniger offen über Probleme debattieren, dass abweichende Meinungen nur schwer ausgehalten werden. Wir brauchen die eigene Blase, in der uns wohl ist, und sei es nur in der geteilten Unbehaglichkeit. Die grosse Herausforderung für alle Medienformate mit dem Ziel, eine differenzierende Berichterstattung und damit verschiedenste Aspekte für die Meinungsbildung anzubieten, ist es, dies in einer Weise zu tun, die attraktiv genug bleibt, um überhaupt beachtet zu werden. Es ist ein harter Job und eine grosse Herausforderung. Ich bin ja schon als Leser und Debattierer überfordert, indem ich damit umgehen muss, dass ich nie wirklich wo dazugehöre. Es ist kompliziert mit mir. Mir fehlen in allen Blasen die differenzierten Betrachtungen, der Mut nicht nur zur Gegenrede, sondern zum Aushalten von Unklarheiten, und ich bin ständig damit beschäftigt, mich auch gegen den Eindruck zu wehren, dieser oder jener Strömung anzugehören. Denn das scheint in diesen unruhigen Zeiten wichtig zu sein. Und so ertappe ich mich dabei, wie ich ein kleines Bisschen beklage, keine eigene Blase zu haben – und also eigentlich nirgends dazu zu gehören. Der Preis der eigenen Meinung und des eigenen Lebensentwurfs ist die ständige Herausforderung, mich selbst zu überprüfen, wie subjektiv oder objektiv ich mir meine Meinungen bilde.