
Meine Frau und ich sind seit mehr als zwanzig Jahren Vegetarier. Lange Zeit konnten wir uns rühmen, damit bewusst ein fortschrittliches Zeichen zu setzen für einen verantwortungsvolleren Umgang mit unseren Nahrungsressourcen (es ist deutlich weniger Agrarland notwendig, um einen Vegetarier satt zu bekommen als einen Fleischesser). Nun geht es immer häufiger darum, dass wir erklären „müssen“, warum wir nicht Veganer sind… die folgenden Bemerkungen richten sich gleichwohl nicht gegen Veganer – alle Pauschalisierungen sind unerwünscht – sondern mehr gegen die Tendenz in der Industrie, wie uns vegane Produkte schmackhaft gemacht werden sollen.
Eigentlich bin ich der Falsche fürs Thema. Denn ich trage eine Entscheidung mit, welche vor allem Thinkabout’s Wife durch ihr Wissen und ihre Kochkunst für mich leicht macht. Ich selbst würde auch heute noch nicht eine Debatte darüber führen wollen, was denn nun am Ende für wen, und was für uns Alle sinnvoll und gesund ist. Aber ein paar grundsätzliche Beobachtungen und Überlegungen traue ich mir zu.
Da geht es mal – auch bei diesem ökologischen Thema – um unser Verhältnis zu einem auch nur theoretisch drohenden Verzicht. Den wollen wir nämlich in keiner Weise in Kauf nehmen, weshalb ja ganz generell nur jene Konzepte Erfolg versprechen (und entsprechend wirtschaftlich versucht werden), welche Ersatz versprechen. Wir sollen also einfach auf nicht tierischer Basis beruhende Lebensmittel konsumieren, die aber schmecken wie Fleisch – oder, z.B., Käse. Und genau das will ich nicht. Kein Nahrungsmittel soll mir vorgaukeln, es wäre etwas anderes, als das, was es ist. Denn dafür muss es industriell massiv verarbeitet werden, was zusätzliche Energie benötigt und mich nicht befähigt, abseits der Fleischverpflegung jene Vielfalt an Esserlebnissen zu entdecken, die es tatsächlich sehr wohl gibt: Die veganen Produkte in den Regalen sind viel zu oft darauf ausgelegt, ein Essenserlebnis, also einen Geschmack zu imitieren.
Das ist dann der Burger, der schmeckt wie Hack, und deshalb verkauft werden kann. Leute, es gibt Burger, die schmecken anders und sind genau deswegen super lecker. Ich kann auch jeweils nicht verstehen, wenn jemand einen Burger, der auf der Basis von Erbsenproteinen hergestellt wurde, dafür lobt, dass er „wie Fleisch schmecke“. Ich suche gar nicht nach dieser Affinität – ich nehme es als eigenständigen Geschmack wahr und habe auch entsprechend eigenes Genussempfinden. Es ist also ein leckeres Teil, das ich gerne an Stelle eines Fleischburgers esse, weil mir die Wahl ein neues Geschmackerlebnis beschert. Ich will kein Imitat essen, sondern ein anderes, neues Produkt.
Hinzu kommen teilweise absurde Verschiebungen der Wertemassstäbe, was dann eben gesund für uns sei und was nicht. Einige werden sich noch daran erinnern, welchen Aufstand es gab, als aufgedeckt wurde, dass manche Fertigpizzen mit sog. Analogkäse belegt waren. Dieser Käse ist kein Käse, kommt völlig ohne Milch aus und ist viel billiger in der Herstellung. Damit war die Lebensmittelindustrie wieder mal überführt und entsprechend gebrandmarkt.
Ein paar Jahre später ist alles anders. Analogkäse ist veganer Käse und als solcher der letzte Schrei so mancher veganer Sandwichbude. Die Herstellung ist womöglich noch immer viel billiger, verkauft werden die entsprechenden Produkte gleichwohl massiv überteuert – aber nun ist das richtige Label dran und das minderwertige Lebensmittel ist zum Genussmittel geworden.
Das Beispiel will einfach sagen: Nur was wir hypen, dringt wirklich in unser Bewusstsein, und was dann entsprechende Attraktivität besitzt, wird beworben und industriell produziert. Die vielen Produktionsschritte, die dabei eingeschoben werden, sind nachteilig für die Energiebilanz – von der man in dem Zusammenhang nicht spricht.
Essen ist für uns schon lange nicht mehr ein Akt der Ernährung, wir leben alle im Überfluss. Und wir sind Viele. DAS sind unsere Probleme., und denen müssen wir Herr werden. Es spielt eine Rolle, wie viel Kulturland meine Ernährung beansprucht, und wie die Nahrungsprodukte gewonnen wurden. Aber es gibt nicht DEN Weg. Aber viel mehr Bewusstsein täte Not. Wirklich weniger Fleisch essen, wirklich andere Lebensmittel lieben lernen, wirklich dankbar werden für unsere Lebensumstände – und wirklich geniessen, was wir haben.