Als der Mensch genetisch entschlüsselt war, wurde er immer lauter: Dieser Ausspruch, dass die Menschheit Gott nun nicht mehr brauchen würde. Was erklärbar wird, ist nicht länger ein Wunder. Und nur das Unerklärbare lässt die Vermutung göttlicher Mächte zu?
Die Wissbegier des Menschen ist unersättlich, und seine Fähigkeit, Geheimnisse zu entschlüsseln, wirklich erstaunlich. Das lässt die Menschheit hoffen, der Mensch selbst würde die Lösungen für alle Bedrohungen durch sein Wissen finden. Nur, welche Motivation hat der Mensch, sein Wissen anzuwenden? Und in welche Richtung forscht er?
Uns allen ist ein Überlebensdrang eigen. Arme Menschen wollen überleben. Vermögende Menschen können gut leben und sind im besten Fall dankbar dafür. Reiche Menschen haben Überfluss und gehen unterschiedlich damit um. Die Sachzwänge der Macht, aber auch die Faszination der Macht ist allgegenwärtig, und damit der Wunsch, Menschen und ihre Verhalten vorhersehen oder steuern zu können. Denn das verspricht reichen Ertrag. Und darauf ist der Mensch auch ausgerichtet. Kaum eine Errungenschaft, welche die Menschheit erreicht hat, ist nur für friedliche Zwecke genutzt worden. Und Entwicklungen, die uns begeistern, erfahren dann unsere Anwendung und Verwendung, und wir wissen wohl alle, dass wir mit diesen Möglichkeiten sehr unterschiedlich umgehen – und aus vermeintlichem Segen auch eine Crux werden kann. Was Geld und Macht verspricht, wird getan. Keine menschliche Ethik, die eine Berufsgruppe oder Gesellschaft festlegt, kann darauf bauen, Bestand zu haben. Das Machbare wird gemacht.
Ich habe nie verstanden, wie man aus der Entdeckung, wie etwas konstruiert, gebaut ist und warum, ableiten kann, es gäbe das darin liegende Wunder nicht mehr. Mindestens muss daraus doch ein Staunen folgen – und ein Blick dafür, dass sich auch die neue Entdeckung mit ganz vielen weiteren Phänomen vernetzt – und wir genau das zu erforschen nie auch nur im Ansatz fertig sein werden. Wie schlecht der Mensch fähig ist, einigermassen vernetzt zu denken und Wechsel- und Folgewirkungen von Eingriffen zu bedenken, zeigt sich ihm immer wieder, wenn er es denn sehen will. Aber oft sind wir blind, weil wir nur schon in Zeitbegriffen denken, welche für die Erde einfach lächerlich sind. Wir können die Folgen für die Umwelt nicht mal für die nächste Generation wirklich erfassen und stehen immer wieder vor der Frage, weshalb ein Phänomen plötzlich auftritt? Zu glauben, Master Of The Universe zu sein oder zu werden, ist ketzerisch und eine Überheblichkeit, vor der wir uns Alle fürchten sollten. Denn unsere Anmassung liegt auch darin, dass wir glauben, die Welt würde immer unser Konsumtempel bleiben. Keine unserer Massnahmen zum Schutz des Klimas zielt darauf ab, weniger zu haben, zu brauchen, zu konsumieren. Wir sollen es nur anders machen. Und damit weiter Wachstum generieren – und andere Ressourcen aufbrauchen.
Der Mensch hat vielleicht einen Sinn dafür, das Geschenk seiner Erde zu erkennen. Aber er hat nicht die spirituelle Tiefe noch die irdische Verbundenheit, sich als Bewahrer dieser Erde zu begreifen und entsprechende Kompromisse in seinem Konsum zu machen – und in seinen Erwartungen. Gott ist nicht tot. Wir ignorieren ihn nur. Wir kommen ohne ihn aus. Es kommt einmal ein Tag, an welchem Gott beschlossen hat, uns nicht mehr zu brauchen. So glaube und empfinde ich seine Präsenz. Wir müssen nicht an ihn glauben – aber wenn wir denn schon denken, ohne ihn klar zu kommen, dann sollten wir das Staunen über die Schöpfung nicht verlieren – und uns immer wieder bewusst sein, dass wir zwar grandiose Anstrengungen unternehmen können, die Richtung aber stets auch das Resultat der Unwissenheit ist. Wir sollten uns selbst auf die Finger schauen. Immer wieder. Und dabei schadet es keineswegs, die göttliche Idee in unserer Erschaffung zu suchen (warum sind wir wirklich hier?). Ob wir dann so leben würden, wie wir es tun, mit Einschluss aller Errungenschaften, die wir erreicht haben? Ich glaube es nicht. Gott ist nicht gestorben, nur weil wir ihn vergessen. Stattdessen könnten wir so Mensch werden, wie wir wohl wirklich gedacht sein dürften. Und dabei erfahren, wie viel Liebe in uns ist, die den richtigen Weg weist. Für den Nächsten, für die Erde, die Welt, unseren Umgang mit jeder Art von Gefahr. Wenn wir das Bewusstsein unserer Endlichkeit zum Prinzip unseres Lebens machen, bekommt das Machbare eine andere Bedeutung, die keine vergängliche Macht sucht. Dann wird auch die Ohnmacht nicht bleiben, wenn wir vor riesigen Problemen stehen – oder einem Ende. Wer weiss schon, was wirklich endgültig ist.
Den unsäglichen Sprüchen über den Tod von Gott oder seinen verlorenen Zweck stelle ich die Frage entgegen:
Was, glaubst du, bedeutet es für uns, für dich, wenn Gott einfach viel mehr Zeit hat als jeder von uns?