Ressort: Gesellschaft(Weitere Infos)

21.Dezember 2020, 21:28

Allein zu Hause und auch nicht

Corona liefert so viele Fragen und Erkenntnisse, aber es geht uns Allen wohl damit so wie bei vielen politischen Grundsatzfragen: Wir haben eine Meinung, aber die absolute Gewissheit über die Wahrheit haben wir nicht, können wir nicht haben, und wir wünschten uns wohl einfach, es gäbe offenere Diskussionen – und zwar nicht nur unter seinesgleichen links und rechts der grundsätzlichen Trennlinie zwischen den Hauptlagern.

Es sterben mehr Menschen in der zweiten Welle, als zuvor.
Es gibt vor allem mehr Spitalaufenthalte und Intensivbettenbelegungen.
Wie leicht oder schwierig es ist, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen und diese mit Personal zu betreiben, bleibt eher unklar.
Unbestritten bleibt, welchen grossartigen, nervenaufreibenden Job jene erschöpften Pflegenden und Ärzte leisten, welche in Corona-Krankenhausspots Dienst leisten.
Nach wie vor sterben viel mehr alte Menschen an Corona als jüngere,
und meistens gilt auch jetzt, sind Vorerkrankungen dafür mit ursächlich.
Es wird viel mehr getestet, wir haben viel mehr positive Ergebnisse.
Wir ergreifen eine Vielzahl an Massnahmen für wenigstens minimale Wirkung.
Die Fallzahlen bleiben hoch. Es ist unbekannt, ob das Virus wie bei einer Grippewelle auf dem Zenit seiner Kraft ist oder nicht, und entsprechend noch schwieriger ist es, die Wirksamkeit von Massnahmen zu beurteilen.
Wir werden jeden Tag mit „Fallzahlen“ versorgt, wie auch immer diese zu interpretieren sind. Während wir darüber Statistiken haben, stehen sie auch nur annähernd ähnlich nicht für anderweitige Schäden zur Verfügung:
Anzahl Menschen in Kurzarbeit, Anzahl alleinerziehender Mütter mit Sozailhilfeantrag, Arbeitslose, Konkurse, Selbstmorde, Misshandlungen, Burnouts, Patientenanstieg in psychiatrischen Behandlungseinrichtungen.
Ja, es gibt auch da Statistiken, natürlich, aber mit relativ ausgeprägter Zeitversetzung.

Die Politik versucht, Leben zu schützen. Und die Wirtschaft so gut zu schonen, wie irgend möglich. Wir alle werden gefordert sein, Lehren zu ziehen – und uns in die Pflicht nehmen zu lassen, wenn es um Konsequenzen für die Zukunft geht. Schon jetzt aber sind wir gefragt, auch wenn uns kaum einer sehen will, weil wir zuhause bleiben sollen: Das Leben, das die Politik schützt, sollte ein intaktes sein und bleiben. Das bedeutet, wir müssen begleiten, unterstützten, für einander da sein, nach einander fragen. Wir müssen dem politischen und gesellschaftlichen Streit die Mitmenschlichkeit und Wärme entgegen setzen, indem wir den Einzelfall vor unserer Nase sehen und offen für sie oder ihn sind: die nächste Person. Die, an die wir gerade denken. Denn ganz egal, wer wie recht hat in der Corona-Pandemie: Wer seine Seelenstube erkalten lässt, tut sich selbst weh – und verhindert, das Kaminfeuer in anderen Herzen mit zu unterhalten. Also achten wir auf Fenster, die, bildlich gesprochen, plötzlich dunkel bleiben, und fragen wir nach. Es braucht so wenig und war schon immer wertvoll. Aber nun können wir es echt einfach erfahren.

Wenn uns Corona ein Lehrmeister sein kann, der alle erreicht, dann in diesen Themen – und sie machen die Lebenskunst aus. Und damit das Leben. Und auch das Sterben mit Würde und Frieden. Jeder Atemzug ist ein Geschenk. Und damit die Tatsache, dass ihn Lunge und Herz ganz allein vollziehen, wir aber jederzeit hinhören und staunen können. Auch allein zu Hause.

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