Archiv für den Monat: September 2021

25.September 2021, 7:11

Wider die Angst

Wenn die Angst uns packt,
das Herz uns in die Hose sackt,
das Denken kreist und schreit,
nur die Flucht uns noch befreit.

Wer uns nun Schutz verheisst,
den Weg ans Licht uns weist,
kann alles von uns kriegen,
mag er nur die Furcht besiegen.

Was uns Angst macht ist die Kunde
möglicher Not in eigner Runde.
Wir leben sicher und auch satt,
im Paradies, das kein Ende hat.

Wird uns Sicherheit genommen,
taumeln wir sofort benommen,
durch den Aufruhr der Gefühle,
im Kopf ein einziges Gewühle.

Die Angst, die uns so sehr bestimmt
uns Allen unsren Frieden nimmt.
Sie überwinden kann gelingen,
wenn wir um Balance ringen.

Nicht nur andre überzeugen,
uns auch in Demut selber beugen,
die Angst als Lehrerin begreifen,
um sie persönlich abzustreifen.

Der Weg ins Licht ist eigen,
persönlich gehbar in dem Reigen
eigener Gelassenheit im Fragen
und von Demut still getragen.

Fragen bleiben, Unbehagen auch,
ein nervöses Flirren tief im Bauch.
Wir reden einander ins Gewissen,
doch niemand hat das letzte Wissen.

Das Ziel bleibt doch am Ende,
dass alles sich zum Guten wende,
wenn wir Unsicherheit aushalten,
und unsren Frieden uns erhalten.

Wir werden alles überstehen,
Licht am Tunnelende sehen.
Versuchen wir, uns zu verstehen.
Lernen wir, uns neu zu sehen.






21.September 2021, 0:20

Die Sache mit dem „Ja, aber…“

iStock_MHJ

Es ist nicht einfach, einander zuzuhören. Eine Meinung stehen zu lassen. Irrglaube und Irrmeinung muss doch korrigiert werden! Sofort! In der (auch privaten) Debatte über politische Inhalte ist der Widerspruch, der Diskurs ja auch eine Art Programm. Dennoch reden wir so oft an einander vorbei, nicht wahr? Und da ist auch diese feine Art der verweigerten Einlassung, wenn uns unter lieben Menschen ein Gefühl angezeigt wird, das, wie wir finden, nicht sein kann oder darf. Verzagen ist nicht, Aufgeben eh nicht, und also wischen wir weg, was nicht sein soll. Und dabei gelingt es uns sogar, uns gut dabei zu fühlen, weil wir ja vorsagen, was stattdessen zu sehen und zu tun ist.

Das mit dem Zuhören ist in unserer Gesellschaft so eine Sache. Mag sein, dass das nie einfach war und schon immer eine Kunst, aber in Zeiten von Social Media scheint es echt verloren zu gehen. Und die Kakophonie der Meinungen auf allen Kanälen verführt erst recht dazu, sich die Schlagworte rauszusuchen, die einem richtig erscheinen, und dann mit dem gleichen #Hashtag hinterher zu reden. Nein. Zu schreien. Sich empört zu geben. Wohin wir uns als Gruppe begegnen, ist immer seltener eine Frage der Argumente als der Lautstärke – und dass wir dabei sein wollen in der Gruppe ist klar, denn sie verspricht in der Zustimmung Halt und Stärke. Eine andere Meinung wird aufgedeckt, erkannt, ist blitzschnell zu verorten: Das ist „Eine von Denen“, oder „noch so ein Spinner“ oder „ein Verblendeter“. Bis zur „Verlorenen“ ist es dann nicht mehr weit.

Zugehört hat man dabei kaum je, mitgefühlt erst recht nicht. Stattdessen wird eine Vernunft aufgerufen, die ihrerseits auf Abwägungen basiert. Die Mehrheit hat es immer leicht, sich „recht“ zu fühlen und agiert darin sehr oft ungerecht, ohne dass es sie zu scheren bräuchte, denn die andern haben selber Schuld, sind schuld.

Fronten bewegen sich nicht aufeinander zu, es sei denn, um zu schlagen. Im besten Fall verharren sie. Am Grund des Übels gab es und gibt es keinen Meinungsaustausch. Alles wird sofort verortet. Schublade auf und Schublade zu. Vielleicht hat man mal Argumente und passende Fakten oder vorläufige Erkenntnisse aufgereiht und angeführt, und im besten Fall beginnt unsere Antwort als Reflex mit:

Ja, aber…

Dabei gibt es keine mächtigere Pause als jene vor einer Antwort, wenn man denn eine Chance zu einem Gespräch bekommt und wahrnehmen kann. Man darf einfach keine Angst vor dieser Pause haben. Sie hat ja durchaus das Potenzial, dass Gesagtes Nachwirken kann – aber auch, dass die eigene Antwort ruhiger und gerundeter daherkommt. Und was ist denn das Ziel? Die unmittelbare Bekehrung? Der Sieg in einer Diskussion, welche beide Seiten wahrscheinlich nicht zum ersten Mal führen? Ein wirklicher Austausch von Meinungen ist eine Chance, die andere und die eigene Position besser zu verstehen. Das Gegenüber hilft mir, zu verstehen und zu lernen – und auch bei Unverständnis wächst zumindest die eigene Informationsfülle. Wenn ich kein Gefühl für die Menschen mit anderer Meinung bekomme, kann ich nicht erwarten, dass sie umgekehrt mir zuhören, weil ich einfach schlicht so brillant bin.

Mit dem Ja, aber schnappe ich ein, hake ich ein, gehe ich sogleich in den Widerstreit. Das mag ja ein rhetorisches Gefecht geben, aber mit rauchenden Colts wird hier niemand aus dem Feld geschlagen. Wir leben miteinander. So ist es gedacht, und so müssen wir es versuchen, wenn wir Frieden erhalten oder schaffen wollen.

Wenn eine oder einer unserer Lieben erkennen lässt, dass er den Mut verliert, ihn eine Lebenssituation überfordert, wenn ein junger Mensch trübsinnig oder ein alter Mensch lebensmüde wird, sich entsprechend äussert, und wir antworten mit

Ja, aber

haben wir das Ja tatsächlich schon übersprungen. Wir zeigen, dass wir es nicht fühlen. Und tatsächlich werden alte Menschen inmitten ihrer Familie oft noch einsamer, wenn ihnen ihre Herausforderung nicht zugestanden werden kann – und nur eine positive Reaktion auf die Trübsal erwartet wird. Wir schwingen uns auf in eine Position, die ein Stück weit eine Anmassung ist, und was wir gut zu meinen glauben, hat mehr damit zu tun, dass wir das Thema, das den lieben Menschen am meisten beschäftigt, im Grunde scheuen. Doch da ist ganz viel Chance drin für uns alle. Denn wie geschrieben: Es sind liebe Menschen, um die es geht und denen wir auch lieb sind. Also, einfach mal

Ja

sagen und lauschen, wie es klingt, mit aller Hilflosigkeit, die dazu gehören kann. Und aus dem gezeigten Verstehen wird womöglich ein Weg, der zusammen gegangen werden kann, ein Vorleben und Mitnehmen, welches die Tage allen nochmals heller macht.

Tatsächlich ist im Umgang mit nahen und fremden Menschen Empathie eine Kunst, die es erlaubt, mit der Meinung und Empfindung der andern auch den Menschen selbst stehen lassen zu können. Abwenden kann ich mich immer noch. Aber dann weiss ich, dass damit rein gar nichts gewonnen ist.