Es ist genau jene Rhetorik, die wir alle jetzt nicht gebrauchen können: Moshe Kantor, seines Zeichens Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und vielfach ausgezeichneter Philanthrop, spricht nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo und der tödlichen Geiselnahme in einem Laden für koschere Nahrungsmittel von Krieg:
«Europa muss begreifen, dass es im Krieg steht mit einer Ideologie, die Blutvergiessen und Mord anstrebt»
um dann fortzufahren:
«Es ist kein Krieg gegen Muslime oder den Islam»
natürlich nicht, es ist ja nicht die Zeit, die Anschläge politisch auszuschlachten, aber der Nachsatz muss dann schon sein:
«sondern gegen eine radikale Interpretation, die den Tod plant für jeden, den sie zum Feind erklärt, Journalisten und Juden eingeschlossen.»
natürlich sind Journalisten und Juden eingeschlossen, das ist ja wohl klar. Alle sind da eingeschlossen. Aber dies ist nicht der Zeitpunkt, irgendwen zu Opfern zu machen. Und wir sind zum Handeln aufgefordert, aber gewiss nicht zu einem Krieg. In einem Krieg werden die Menschen in eine Pflicht genommen, unter Waffen gewzungen und in Uniformen gesteckt. Hier geht es um die Freiheit für alle Menschen und um die Frage, was wir alle dafür tun können, dass diese Freiheit möglich ist. Und da wäre dann auch die Frage zu stellen, was denn Juden und Moslems dafür tun, dass die Regierungen aller entsprechend gefärbten Länder der anderen Seite die Hand zu reichen beginnen? Die Unversöhnlichkeit zwischen Juden und Moslems ist mit das grösste Problem, das wir überhaupt haben, und dieses Problem ist beileibe nicht nur an den Moslems festzumachen.
Ich finde dieses Statement von Moshe Kantor, gestern in Brüssel abgegeben, äusserst deplatziert. Es setzt völlig falsche Zeichen und lässt in seiner kompletten Abfolge aller Satzteile Gesinnungspolitik erkennen.
Also kann man nur wiederholen: In unserer westlichen Zivilgesellschaft gelten die Werte einer demokratischen Freiheitsordnung, in der Religion Privatsache ist, deren Ausübung sich aber in keinem Fall gegen die Prinzipien des Rechtsstaates stellen kann und sämtliche Grundlagen der freien Meinungsäusserung und Meinungsfindung für alle Menschen Gültigkeit haben müssen.
Angriffen gegen diese Prinzipien begegnen wir mit den Mitteln des Rechtsstaates, eine flächendeckende Überwachung aller Bürger und jede Art Kriegsrhetorik gehört nicht dazu. Das ist Politik mit den Mitteln der Angst, des Hasses und mit dem Gaukel einer Sicherheit, die gar nicht herstellbar ist.
Fände ich diese ganzen populistischen Trittbrettfahrer jeder Couleur nur ekelhaft in ihrem krankhaften narzisstischen Aufmerksamkeitsstreben, es ginge noch. Denn nur mir allein würde dabei schlecht.
Unverantwortlich aber ist, das sie das Feuer damit erst richtig schüren. Dazu fehlen mir einfach die Worte. Schon die ganzen letzten Tage.
Lieber Menachem, ich danke Dir.
Und ich wünsche mir für alle unsere Religionen so sehr Frieden.
Und für jene, die Religion so wenig Positives abgewinnen können, weniger Grund, sich in ihrer Meinung bestärkt zu sehen. Wir sind alle gefordert.
Und ich werde gegen jede Art von Militanz anschreiben, allerdings auch ohne eine Toleranz herbei zu reden, die es nicht wirklich gibt, und die man auch nicht einfach voraussetzen kann. Man muss für sie arbeiten, leben, Haltung zeigen – und, kann sich nur in einem freiheitlichen, modernen Religionsverständnis wirklich die Hand geben.